KONTINUITÄT Der Nationalsozialist Nikolaus von Oldenburg wollte den Vernichtungskrieg von Wehrmacht und SS nutzen, um seinen Clan massiv zu bereichern. Seine Enkelin ist die AfD-Hardlinerin Beatrix von Storch
: Eine schrecklich braune Familie

Am 17. und 18. Oktober 1931, ein gutes Jahr vor der Machtergreifung, ließ Hitler 100.000 SA-Leute in Braunschweig aufmarschieren(das damals weniger als 150.000 Einwohner hatte). Am 17. kam es dabei zu Straßenkämpfen, bei denen zwei unbeteiligte Arbeiter starben. Am 18. zog die SA vor dem Braunschweiger Schloss auf (im Bild ist die Quadriga auf dem Dach zu sehen), das zu diesem Zeitpunkt längst von der herzoglichen Familie verlassen worden war. Ab 1935 betrieben die Nazis dort eine „SS-Führerschule“ Foto: Foto oben: Georg Pahl/Bundesarchiv Bild 102-02188, Foto unten: Illustrierter Beobachter (6. Jahrgang, Folge 44, 31. 10. 1931), Seite 396/Stadtarchiv Braunschweig

von Andreas Wyputta

Zumindest 1941 muss Nikolaus von Oldenburg noch an den Endsieg geglaubt haben: „Ich wäre ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich kurz wissen lassen würden, ob grundsätzlich die Möglichkeit des Ankaufs größerer Güter im Osten nach Kriegsende für mich gegeben sein wird“, schrieb der letzte Erbgroßherzog Oldenburgs an den „Reichsführer SS“, Heinrich Himmler. Schließlich habe er sechs Söhne, jammerte der einstige Thronfolger, dessen Anspruch auf Oldenburg 1918 die Novemberrevolution hinweggefegt hatte – und er erhielt prompt eine positive Antwort.

Der Bettelbrief an den millionenfachen Mörder Himmler, geschrieben am 2. Juni 1941 – also 20 Tage vor dem Angriff auf die Sowjetunion – macht deutlich, dass das NSDAP-Mitglied Nikolaus von Oldenburg den Vernichtungskrieg seiner Parteigenossen zur massiven Bereicherung seines Clans nutzen wollte. Der Ex-Großherzog, dessen Titel nach der Weimarer Verfassung nichts mehr galt, schien offenbar zu wissen, dass die Nazis weite Teile Osteuropa entvölkern wollten – und dass der „Reichsführer“ der Mann war, der den Mordplan umsetzen würde.

Ebenfalls im Juni 1941 kündigte Himmler vor SS-Gruppenführern an, 30 Millionen als „slawisch“ identifizierte Menschen töten lassen zu wollen. Schon in den ersten Monaten des Krieges gegen die Sowjetunion ermordeten Einsatzgruppen seiner „Sicherheitspolizei“ und seines „Sicherheitsdienstes“ SD fast eine Million Menschen. Die Vernichtung der europäischen Juden folgte.

Beatrix von Storch, die wohl bekannteste Vertreterin der einstigen Adelsfamilie Oldenburg, sitzt im Europaparlament und hetzt dort gegen die europäische Idee – was sie nicht daran hindert, jährlich Diäten und Aufwandsentschädigungen in sechsstelliger Höhe abzugreifen

Die Anbiederung des Chefs des Hauses Oldenburg an die Nationalsozialisten war durchaus typisch für den nord- und ostdeutschen Adel. Der Berliner Historiker Stephan Malinowski hat bereits 2003 herausgearbeitet, dass die meisten Adligen die nationalsozialistische „Bewegung“ als nützlich empfanden – schließlich lehnten beide Gruppen die Republik mit ihrer Demokratie und ihren Parteien ebenso ab wie Parlamentarismus und Sozialdemokratie. Außerdem brachten Wiederaufrüstung, Krieg und die Verfolgung von Juden sowie Sozialdemokraten viele Adelige, die nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg quasi arbeitslos waren, erneut in als standesgemäß erachtete Positionen – ob in Offizierslaufbahnen oder in den höheren Verwaltungsdienst.

Das galt auch für Nikolaus von Oldenburg. Im Heer nur Major der Reserve, brachte er es in der SA immerhin zum Standartenführer, was dem militärischen Rang eines Obristen entspricht. Er scheint aber nicht versucht zu haben, unmittelbar aus der „Arisierung“ des Vermögens von Deutschen jüdischen Glaubens zu profitieren. Entrechtet, verfolgt und vernichtet wurden die Menschen jüdischen Glaubens im zum Freistaat erklärten ehemaligen Großherzogtum. Hier verfügte die NSDAP 1932 schon ein Jahr vor der „Machtergreifung“ Hitlers über die absolute Mehrheit im Landtag, genauso wie im Rest des einstigen Deutschen Reiches: Lebten 1925 noch 320 Juden in der Oldenburger Kernstadt, waren es 1939 noch 99 – Ende 1943 gab es hier kein jüdisches Leben mehr.

Die Enteignung Hunderter Mitbürger war aber auch nach 1945 jahrzehntelang kein Thema in Oldenburg. Durchbrochen wurde das Schweigen erst durch die Ausstellung „Ein offenes Geheimnis“. Diese Ausstellung zeigte das Ausmaß der „‚Arisierung‘ in Alltag und Wirtschaft in Oldenburg im Zeitraum von 1933 bis 1945“. „Da bleibt nur Verhungern oder Flucht“, wird Gustav Thal zitiert, der damals in Oldenburg drei Fotogeschäfte besaß. Bis 1940 wurden nicht nur jüdische Geschäftsleute gezwungen, weit unter Wert zu verkaufen. Unter dem Begriff „Ausländische Möbel“ oder „Hollandmöbel“ stand die Einrichtung von zur Emigration gezwungenen oder deportierten Juden billig zum Verkauf.

Immerhin: Seit 2013 erinnert eine Gedenkwand an die 175 ermordeten jüdischen BürgerInnen Oldenburgs. Und bereits seit 1981 wird mit dem „Erinnerungsgang“ an das Schicksal der jüdischen Männer erinnert, die nach den Novemberpogromen 1938 an der noch brennenden Synagoge vorbei zur Polizeikaserne am Pferdemarkt, der heutigen Landesbibliothek, getrieben wurden. Erst nach Wochen und Monaten kehrten sie, gezeichnet von der Haft im Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin, vorerst zurück.

Ihrer historischen Verantwortung nicht stellen will sich die derzeit wohl bekannteste Vertreterin der einstigen Adelsfamilie Oldenburg, Beatrix von Storch. Die AfD-Hardlinerin, die nach Aussage ihres Vaters Huno von Oldenburg im Ostholsteiner Anzeiger „nach alter deutscher Weise den Namen ihres Mannes“ Sven von Storch angenommen hat, phantasiert lieber vom Schusswaffengebrauch gegen Geflüchtete.

Beatrix Amelie Ehrengard Eilika von Storch, geborene Herzogin von Oldenburg Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Für die selbsternannte „Alternative“, deren Vorsitzende Frauke Petry das „Völkische“ positiv besetzen will, sitzt die Enkelin von Nikolaus von Oldenburg im Europaparlament und hetzt dort gegen die europäische Idee – was sie nicht daran hindert, jährlich Diäten und Aufwandsentschädigungen in sechsstelliger Höhe abzugreifen.

Über so viel Geschäftssinn gefreut hätte sich sicherlich von Storchs Großvater mütterlicherseits: Hitlers Finanzminister, der in Nürnberg wegen der „Arisierung“ des Eigentums deportierter Juden durch die Finanzämter zu zehn Jahren Haft verurteilte Kriegsverbrecher Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk.