Ausstellungsempfehlung für Berlin: Sozialstudien und Schauergeschichten

Kultur-Tipp der Woche: Daniel M Thurau malt dämmrige Landschaften und surreale Szenerien. Die taz sprach mit dem Künstler.

Daniel M Thurau, „Pfuscher, Stümper, Amateur. Eine Erfolgsgeschichte des Versagens“, 2016 Foto: Geo Reisinger, courtesy Katharia Maria Raab

Einen Blick ins Allerheiligste, ins Künstleratelier, gewährt Daniel M Thurau, jedoch ganz ohne Boheme-Romantik. Als Bretterbude hat Thurau seine Werkstätte bei Katharina Maria Raab nachgebaut, ein Provisorium aus Teilen aus dem Baumarkt. Drinnen hat der Künstler seine Bilder pinnwandartig an die Wand geheftet, dazwischen Zeitungsausschnitte, Postkarten, Fotografien.

Die wilde Petersburger Hängung verrät sowohl Thuraus Blick auf die Dinge als auch die Entstehung seiner Motive. Der Biertrinker von dem Schnipsel aus dem Boulevardblatt – man erkennt ihn nicht nur am Basecap auf Thuraus Papierarbeiten wieder, auch an seiner Haltung. Wie er herumsteht, mit der Flasche an den Lippen, oder rauchend und teilnahmslos mit Kind und Hund vor der Losbude.

Wie Sozialstudien wirken viele der Arbeiten. Dazu passt der Otto Dix – ein abgeschnittenes Kalenderblatt – als Referenz perfekt, nur ist die Stimmung auf Thuraus Bildern eine andere als die der Neuen Sachlichkeit.

Seine traumverhangenen Dämmerlandschaften in kräftigen Farben, Violett, Petrol, Blau, in denen einsame Häuser aufragen oder Vulkane ausbrechen, könnten ebenso wie seine Jahrmarktszenen auch Schauplätze von Schauermärchen sein. Laut Titel entstammen sie der „Erfolgsgeschichte des Versagens“ eines „Pfuschers, Stümpers, Amateurs“ – glatt gelogen ist das.

Einblick (650): Daniel M Thurau, Künstler

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

Katharina Maria Raab, Mi.–Sa. 13–18 Uhr, Keithstr. 5

Daniel M Thurau: Ich verpasse immer alles, weil ich keine Lust habe, mich anzustellen. Ersatzweise gehe ich dann in die Gemäldegalerie und sehe mir die Arbeiten der holländischen Malermönche an. Irritiert und beschämt von dieser Einfalt und Demut stolpere ich dann in mein Atelier zurück. Zeitgenössisch: Gut weil uneitel war „The Joy of Overpainting“ in der Keith Bar.

Welches Konzert oder welchen Klub kannst du empfehlen?

Zuletzt war ich bei Tricky im Gretchen, er war wider Erwarten gut drauf und man konnte sich vor der Bühne etwas rumschubsen. Wenig später hätte ich ihn am Schlossneubau beinahe mit dem Fahrrad umgefahren. Aus dem ambitionierteren Nachtleben bin ich raus, aber früher war ich gern im Golden Gate, damals ein verkommenes Loch, dessen Betreiber ich kannte und in dem die meisten Gäste am Freitagabend kamen und Sonntagnachmittag nach Hause gingen.

Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet dich durch den Alltag?

Daniel M Thurau (*1974, Köthen/Anhalt), studierte 1995–98 Jura in Halle/S., parallel autodidaktische Auseinandersetzung mit Malerei. 2008/09 Masterstudium Zeichnung, NUA, Norwich/ U.K., 2010–13 Masterstudium Malerei, HFBK Hamburg. 2013 Förderpreis Kunststiftung Christa und Nikolaus Schües. Ausstellungen 2016 u. a. Kunsthaus Erfurt, Galerie Lang Wien, Feinkunst Krüger und aktuell bei Katharina Maria Raab.

Als Arbeitsliteratur lese ich gerade „Die Kraft der Kunst“ von Christoph Menke. Eine Abhandlung über die konstituierenden Ansteckungskräfte von Kunstwerken, die hervorzurufen dem Künstler immer nur als Nebenprodukt gelingt. Parallel dazu Tolstois „Krieg und Frieden“: Eine zeitlose Analyse menschlichen Verhaltens in Krisenzeiten, eine beängstigend überzeugende Idee von Weltpolitik als schicksalhaftem Geschehen und ein anrührender Blick in die russische Seele.

Was ist dein nächstes Projekt?

Gemeinsam mit zwei israelischen Künstlern, Olaf Kühnemann und Dan Allon, und meinem Freund Hugo Mayer suche ich derzeit geeignete Räume für eine Ausstellung unter dem Titel „Abyss“ (Abgrund). Im kommenden Jahr wird beim SALZ-Verlag, betrieben von Silvio Zesch, ein Künstlerbuch mit Lithografien zu Künstlergedichten von mir erscheinen.

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?

Wenn sie gut drauf sind: meine drei Kinder.

Text und Interview erscheinen im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz

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