heute in Bremen: „Scheinbare Sicherheit“
Bildung Die AWO lädt zum Vortrag über Sinn und Unsinn von Leistungstests für SchülerInnen
69, em. Professor für Erziehungswissenschaft und Fachreferent im Grundschulverband.
taz: Herr Brügelmann, seit wann ist Pädagogik eine Naturwissenschaft?
Hans Brügelmann: Pädagogik ist keine Naturwissenschaft. Aber seit der ersten PISA-Studie glauben immer mehr Forscher, dass sich soziale Ereignisse genauso messen lassen wie technische Vorgänge.
Lässt sich Bildung messen?
Wir müssen natürlich auch statistische Daten berücksichtigen. Es ist zum Beispiel wichtig zu wissen, wie viele Schüler eine Gymnasialempfehlung bekommen. Aber diese Empfehlungen sind abhängig von persönlichen Urteilen der Lehrkräfte. Scheinbar objektive Zahlen sind immer subjektiv geprägt.
Wie aussagekräftig sind Leistungstests dann noch?
Ihre Ergebnisse können eine erste Orientierung geben. Das Problem ist aber, dass jede Maßnahme – zum Beispiel eine Methode im Unterricht – je nach Situation ganz unterschiedlich wirkt. Statistische Aussagen können also keine verbindlichen Urteile treffen.
Wie meinen Sie das?
Rankings tun so, als gäbe es eine eindeutige Rangfolge der Schulsysteme. Sie können aber nicht sagen, das bremische System sei besser oder schlechter als andere.
Aber Bremen schneidet doch regelmäßig schlecht ab?
Das ist richtig. Aber dann muss man sich fragen, warum das so ist. In Bremen leben beispielsweise viele Familien unter schwierigen Bedingungen. Das kann Einfluss auf die Leistung der Kinder haben. Dieses Wissen relativiert die Ergebnisse der Leistungstests.
Warum gibt es dann noch so viele Tests?
Zahlen geben scheinbare Sicherheit. Wir glauben lieber an eine Illusion, als zu akzeptieren, dass die Leistung eines Menschen von verschiedenen Bedingungen abhängt. Standardisierte Tests ignorieren dieses Bedingungsgeflecht, um Aufwand und Kosten zu senken. Die Qualität der Bildung wird nicht erfasst.Interview: Lukas Thöle
Universität der 3. Generation: 17 Uhr, Gewerkschaftshaus
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