: Tod von Lara Mia erneut vor Gericht
PROZESS Acht Jahre nach Tod des Mädchens muss sich Ex-Lebensgefährte der Mutter der Anklage stellen
Angeklagter Stiefvater von Lara Mia
Lara Mia magerte auf ein Gewicht von 4,8 Kilo ab, halb so viel wie für ein neun Monate altes Baby üblich. Am 9. März 2009 starb sie. Wie konnte das passieren? Diese Frage beschäftigt sieben Jahre später erneut die Richter. Die Mutter wurde bereits im Jahr 2011 verurteilt. Nun steht ihr damaliger Freund C. vor Gericht.
Ursprünglich wurde beiden schon 2010 der Prozess gemacht. Doch weil sie mit milden Bewährungsstrafen davon kamen, hob der Bundesgerichtshof das Urteil 2011 auf. Die zur Zeit des Todes noch 18-jährige Mutter wurde dann im November 2011 zu drei Jahren Jugendstrafe verurteilt. Die Richter warfen ihr versuchten Totschlag, Körperverletzung und mangelnde Fürsorge vor, weil sie das Kind nicht rechtzeitig zum Arzt brachte. Ihr Ex-Partner war damals verhandlungsunfähig. Doch Anklagen verjähren nicht. 2015 ließ das Gericht den inzwischen 29-Jährigen erneut begutachten. Nun gilt er als verhandlungsfähig.
Wie schon im ersten Prozess macht er keine Aussage. Doch noch am Abend von Lara Mias Tod hatte er bei der Polizei geredet. Diese Aussage wurde nun vorgelesen. Laut C. war Lara Mia eigentlich eine gute Esserin, bekam drei Mal am Tag Brei oder Gläschen. Doch etwa zwei Wochen vor ihrem Tod habe sie begonnen „krüsch zu sein mit dem Essen“. Auch habe die Kleine Durchfall gehabt und Magentee bekommen. Noch am Abend vor ihrem Tod habe C. sie mit Vollkorn-Schoko-Brei gefüttert. Etwa fünf Löffel habe sie gegessen, die Hälfte wieder ausgespuckt. „Wir wollten heute mit ihr zum Arzt“, sagte der noch unter Schock stehende Angeklagte seinerzeit der Polizei. Auf die Frage, warum nicht früher, sagte er: „Weil wir dachten, das Jugendamt kommt und nimmt sie uns weg.“ Gefragt, ob er sich genug um die Kleine kümmerte, sagte er: „Nicht wirklich, sonst wäre sie ja noch am Leben.“
Lara Mias Tod hatte Konsequenzen. Unter anderem werden seither alle Eltern kleiner Kinder von Kinderschwestern aufgesucht, wenn sie bestimmte Vorsorge-Termine beim Kinderarzt versäumen. Doch was Lara Mia passierte, ist bis heute unklar, sogar die Todesursache. Ob das Kind an Mangelernährung starb oder am „plötzlichen Kindstod“, ist medizinisch nicht sicher geklärt.
Und jene Sozialarbeiterin, die die Familie betreute und das Kind wenige Tage zuvor sah, aber keinen Arztbesuch veranlasste, akzeptierte einen Strafbefehl über 2.700 Euro. Es gab keine Aussage von ihr vor Gericht. Auch die Mutter schwieg in ihrem Prozess. Doch nächste Woche wird sie im Verfahren gegen ihren Ex-Freund als Zeugin geladen. Und weil sie bereits verurteilt ist, kann sie die Aussage nicht verweigern. kaj
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