: Digital misst besser
Verbrauchen In manchem Keller hängt noch der schwarze, staubige Stromzähler aus Kaisers Zeiten. Jetzt soll mit der Energiewende der vernetzte Haushalt langsam Wirklichkeit werden. Wir klären die wichtigsten Fragen
Alles scheint möglich: Die Heizung schaltet sich ab, wenn die Haustür ins Schloss fällt. Mitten in der Nacht springt die Waschmaschine an, wenn Strom gerade schön billig ist. Der Rauchmelder schickt eine SMS, weil eine vergessene Zigarette vor sich hin kokelt.
So sieht die vernetzte Energiewende jedenfalls im Hochglanzprospekt aus. Im wahren Leben beschränkt sich die Ökostrom-Revolution bei vielen Bürgern bislang eher auf den Kauf einer Energiesparlampe. Das will Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nun mit einem Gesetz zur Digitalisierung ändern, was die EU vorgegeben hat.
Was bringen die angeblich so cleveren Stromzähler?
Als erster Schritt werden meist die alten schwarzen Kästen gegen einen intelligenten Stromzähler mit Display ausgetauscht, der dann zu einem digitalen Messsystem aufgerüstet werden kann („Smart Meter Gateway“). Damit kann der Energieverbrauch genau abgebildet und sogar gesteuert werden, zum Beispiel je nachdem, wie groß das Angebot an produziertem Wind- oder Sonnenstrom gerade ist. Auf diese Weise können Versorger die Stromproduktion auf den tatsächlichen Bedarf abstimmen und Schwankungen in ihren Netzen managen. Tankstellen für Elektroautos oder Nachtspeicher-Heizungen können als Energiespeicher dienen. Die Verbraucher sollen davon profitieren, dass Stromtarife flexibel angepasst werden können. Noch ist das allerdings Zukunftsmusik.
Wird der Einbau zur Pflicht?
Für den Normalverbraucher unter 6.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr gibt es keinen Zwang. Er kann sich ab 2020 freiwillig für „Smart Meter“ entscheiden. Eine Einbaupflicht greift ab 2017 für große Stromkunden in der Wirtschaft, die mehr als 10.000 Kilowattstunden verbrauchen. Auch Betreiber von Ökostromanlagen mit über sieben Kilowatt Leistung sind davon betroffen. Später werden die Vorgaben stufenweise ausgeweitet. Die EU hat als Ziel für alle Mitgliedstaaten ausgegeben, dass 80 Prozent der Endverbraucher intelligente Messsysteme bekommen –bei der Umsetzung haben die einzelnen Länder aber nach Kosten-Nutzen-Erwägungen freie Hand.
Lohnt sich das?
Wegen der Kosten für Einbau und Betrieb für den Einzelnen kaum –es sei denn, in einem Mehrfamilienhaus wollen alle die neue Technik. Auch könnten Mieteinheiten aufgerüstet werden oder Stromanbieter intelligente Messsysteme anbieten, um Kunden zu gewinnen. Die Stromanbieter können privaten Verbrauchern für Einbau, Wartung, Service und das Ablesen der neuen Messgeräte bis zu 100 Euro im Jahr in Rechnung stellen. Je nach Verbrauch gibt es im Gesetz gestaffelte Kostenobergrenzen. Normale Kunden dürfen mit bis zu 40 Euro brutto pro Jahr zur Kasse gebeten werden –bei einer zunächst kalkulierten Ersparnis von um die 20 Euro durch intelligente Steuerung. Das zeigt: Die Digital-Pläne zielen vor allem auf Unternehmen und Stromerzeuger ab, um die Energiewende effizienter zu machen. Später sollen auch Privathaushalte von geringeren Kosten profitieren.
Was passiert mit den Daten –droht der „gläserne Strombürger“?
Manch einer fürchtet, dass er über die digitalen Strom-Schnittstellen ausgespäht werden könnte: Wann schalte ich den Fernseher ein, wann läuft im Bad der Fön? Dabei überlassen täglich Millionen schon Handy- und Internetkonzernen freiwillig ihre Daten. „Wir sehen, wenn Leuten ihr Toast verbrennt“, meinte einmal der Mitgründer der US-Firma Nest, Tony Fadell. Der Internet-Riese Google zahlte für Nest 3,2 Milliarden Dollar –dem Markt der vernetzten Dinge und Elektrogeräte gehört die Zukunft. Gabriel ist zuversichtlich, dass IT-Sicherheit und Datenschutz bei den „Smart Metern“ gewährleistet sind: „Die Frage, wann macht Sigmar Gabriel nachts die Kühlschranktür auf und hat mehr Stromproduktion –das wird nicht möglich sein. Diese fehlerhafte Lebensweise von mir wird weiterhin im Dunkeln bleiben.“ So will es das Gesetz. (dpa)
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