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Tobias Schulze über den Verbleib der Bundeswehr in der TürkeiEin schlechtes Druckmittel

Der Bundestag hat zugestimmt: Die Regierung darf die Bundeswehr für weitere zwölf Monate im Kampf gegen den IS einsetzen. Deutsche Tank- und Aufklärungsflugzeuge bleiben für diesen Zweck im türkischen Incirlik stationiert. Ein Kniefall vor dem türkischen Präsidenten Erdoğan, wie manche Grüne und Linke vor der Abstimmung argumentierten? Nein.

Um gegen die Repressionen in der Türkei zu protestieren, hätten die Bundesregierung und die Europäische Union eine Reihe von Maßnahmen zur Verfügung: Wirtschaftssanktionen, persönliche Sanktionen gegen den Präsidenten, Aussetzung der EU-Beitrittsverhandlungen, Abbruch der Gespräche über die Visafreiheit. Man kann darüber diskutieren, wie angemessen und wie vielversprechend jede einzelne dieser Maßnahmen wäre. Der Abzug der Bundeswehr aber taugt von allen denkbaren Maßnahmen am wenigsten als Druckmittel.

Die Anwesenheit deutscher Soldaten in Incirlik bringt der türkischen Regierung schließlich keine nennenswerten Vorteile. Ankara hat nicht um die Stationierung gebeten. Es war die Bundesregierung, die auf der Suche nach einem Luftwaffenstützpunkt für den Anti-IS-Einsatz in der Türkei angefragt hatte. Und es ist die Bundesregierung, die die Lasten eines Abzugs tragen müsste.

Oder besser gesagt: die Lasten eines Umzugs. Die Weiterführung des Einsatzes an sich stand in der Großen Koalition nie zur Debatte. Die Bundeswehr würde Incirlik lediglich verlassen, wenn ein Ersatzstützpunkt in einem anderen Land der Region bereitstünde. Eine denkbare Luftwaffenbasis steht auf Zypern, ein anderer auf Kreta.

Am wahrscheinlichsten wäre laut Insidern aber ein Umzug nach Jordanien. Einen gewählten Präsidenten für seine Abkehr vom Rechtsstaat bestrafen, indem ein paar Flugzeuge in eine dynastische Autokratie umziehen? Das hätte höchstens einen Effekt: Die Glaubwürdigkeit des deutschen Rufs nach Demokratie wäre dahin.

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