Senatsposten in Berlin: Ökologie kommt ohne Grüne aus

5.633 Mitglieder haben die Berliner Grünen. Doch ihre Parteispitze nominiert als Senatorin für das Kernthema Verkehr und Umwelt die Parteilose Regine Günther.

Fachlich versiert sei die künftige Senatorin. Meinungsstark zudem. Darüber hinaus „unglaublich politikerfahren“. Und überdies soll sie auch noch Glamour haben.

Jeder Satz, mit dem die führenden Berliner Grünen am Donnerstag die künftige Senatorin für Verkehr und Umwelt loben, ist zugleich ein Hieb gegen die eigene Partei – als ob all das dort nicht zu finden ist. Denn die 54-jährige Regine Günther, bei der Fraktionschefin Antje Kapek und ihre Kollegen diese Qualitäten sehen, ist keine Grüne – anders als 5.633 Mitglieder des Landesverbands, der bislang Öko-Themen als seine Kernkompetenz dargestellt hat.

Und darum drängt sich die Frage auf: Warum ist das so? Günther selbst ist bei der Vorstellung nicht da, eine schwere Bronchitis wird sie nach Grünen-Angaben auch am Abend daran hindern, bei einem Kleinen Parteitag Fragen zu beantworten. Laut Kapek ist ihre Nominierung keineswegs eine Notlösung, weil man intern niemanden gefunden hat. Da seien durchaus einige, „denen man ein Senatorenamt oder die Kompetenz dazu zutrauen würde“. Nein, das Ganze soll ein „politisches Signal“ an die Zivilgesellschaft und die Verbände sein, dass man diese nicht als Gegner sehe.

Das wäre ein Argument, wenn Günther etwa von der Industrie- und Handelskammer käme. Aber sie arbeitet bislang in führender Rolle für die Naturschutzorganisation WWF, die man längst im grünen Boot vermutete. Und das mit dem Einbeziehen der Zivilgesellschaft? Bislang hatte man bei den Grünen nicht den Eindruck, dass es da keinen Kontakt gebe. „Wir glauben, es ist ein Gewinn für die Politik, über den parteipolitischen Tellerrand hinauszuschauen“, ist von Daniel Wesener zu hören, noch bis Dezember Parteivorsitzender, „das ist überhaupt nichts, wofür man sich rechtfertigen muss“. Die designierte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop schließlich argumentiert, es werde doch sonst immer kritisiert, wenn nur nach Parteibuch besetzt und vergeben wird.

Recht hat Pop, wenn es um Auftragsvergabe – etwa beim viel kritisierten McKinsey-Gutachten zum Thema Integration – oder Schulleiterposten ginge. Auch die Kandidatenliste für eine Parlamentsfraktion um eine Parteilose mit einer besonderen Kompetenz zu erweitern, mag noch angehen. Aber Regierungsmitglieder, die vom gängigen Politikverständnis mehr sind als technokratische Erfüller von Parteibeschlüssen?

Die Grünen haben sich mit einem Programm zur Wahl gestellt, haben den Anspruch erhoben, die Stadt mitregieren zu können, wozu sie in den nächsten fünf Jahren die Möglichkeit haben. Das aber schließt ein, auch selbst die Regierenden stellen zu können, vor allem natürlich im Kernfeld. Die Öko-Partei ohne Öko-Senator aus den eigenen Reihen? Das ist, als ob die FDP bei sich keinen Wirtschaftsminister finden würde.

Dabei ist es ja nicht so, dass unter Kennern dieses 5.633-Leute-Landesverbandes jemand bezweifelt, dass die Grünen den Posten selbst hätten besetzen können, und zwar kompetent und gut. Ob nun auch Glamour dabei gewesen wäre, bleibt offen – wobei abzuwarten ist, ob Regine Günther den tatsächlich hat. Offenbar war es schlichtweg nicht möglich, jemanden zu finden, der die Frauenquote erfüllte und zugleich beiden Flügeln der Partei genehm war, den Realos und den Linken.

Parteichef Wesener bezeichnet die Entscheidung für eine Parteilose im Unternehmens-Sprech als „asset“, und deshalb liegt es nahe zu mutmaßen, wie Rating-Agenturen das bewerten würden: nämlich als größtmöglichen Imageschaden – und als Grund, die vermeintliche Öko-Partei im Rating abzustufen.

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