Über den Umgang mit „Arisiertem“

taz-Symposium

Das Fischbesteck, das Weinglas, das nicht zu den übrigen Erbstücken passt oder gleich das „Juden-Höckerle“: Porzellan und Möbel aus „Juden-Auktionen“ der Nazi-Zeit finden sich noch in deutschen Haushalten. Nur wenige Erben wollen genauer wissen, was sie da im Schrank haben. Denn sich dieser Tatsache zu stellen, hieße, die Profitgier der Vorfahren zu benennen. Und das hieße auch, etwas tun zu müssen mit den geraubten Dingen: Erben zu ermitteln oder die Sachen jüdischen Gemeinden zu schenken.

Einige Menschen tun das bereits – wie Hilde Schramm von der Berliner „Stiftung Zurückgeben“. Sie ist eine der Referentinnen des öffentlichen Symposiums „‚Arisierung‘ – Über den Umgang mit dem Unrechts-Erbe“, das die taz.bremen, das Institut für Geschichtswissenschaft und die Bremische Bürgerschaft am Donnerstag veranstalten.

Initiator ist taz-Redakteur Henning Bleyl, der anlässlich des 125-jährigen Firmenjubiläums des Bremer Logistik-Unternehmens Kühne + Nagel über dessen Rolle in der Nazi-Zeit berichtet hatte. Verschwiegen hatte der weltweit drittgrößte Logistikkonzern, worauf der heutige Profit fußt: auf dem Monopol, das die Firma errang, indem sie 1942 bis 1944 Möbel von Juden aus den von Nazis besetzten Teilen Frankreichs und der Benelux-Länder nach Deutschland brachte, wo sie versteigert wurden oder günstig an Privatiers gingen. Der Inhalt von rund 70.000 Wohnungen und Häusern verhafteter, deportierter, ermordeter Juden wurde in diesen zwei Jahren nach Deutschland transportiert. Das macht fast 30.000 Zugwaggon-Ladungen, von denen ein Drittel in den damaligen „Gau Weser-Ems“ ging.

Die taz hatte angesichts des Schweigens von Kühne + Nagel 28.000 Euro für ein „Arisierungs“-Mahnmal gesammelt und einen Gestaltungswettbewerb ausgelobt. Das Symposium versteht sich aber nicht als erneute Anklage. Es wird vielmehr – etwa im Beitrag der Heidelberger Wirtschaftshistorikerin Stefanie van de Kerkhof – unternehmensinterne Aufarbeitung von NS-Geschichte allgemein beleuchten.

Den gesellschaftlichen Bogen wird Johannes Beermann vom Frankfurter Fritz-Bauer-Institut schlagen, der die „Profit-Trias“ Fiskus, Unternehmen, Privatiers eruiert. Dieser Punkt sei zentral, sagt Bleyl. „Die aktuelle Forschung erklärt die breite Akzeptanz des NS-Regimes sogar eher durch Profitstreben als durch Antisemitismus.“

Wie mit diesem Erbe zu verfahren ist, bleibt zu klären, auch Zeithistoriker Constantin Goschler kann nur Impulse geben. Er beschließt das Symposium mit Gedanken zum Umgang mit der „materiellen Seite“ des Holocaust. PS

„Arisierung“ – Über den Umgang mit dem Unrechts-Erbe: 3. 11., 14–21.30 Uhr, Festsaal der Bremischen Bürgerschaft, Am Markt 20, Bremen. Eintritt frei. Anmeldung erbeten unter bleyl@taz.de