: Weg vom Ölhahn
Lückenfüller Solar- und Windstrom lässt sich dezentral in Wasserstoff umwandeln und nach Bedarf wieder verstromen
Viele Windmühlen werden an windigen Tagen abgeschaltet, weil die Netze überlastet sind. Potenzieller Windstrom kommt also oft gar nicht beim Verbraucher an. Zwar bekommen die Betreiber über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einen Ausfall, doch schadet dies der Akzeptanz der Windenergie.
Ein Dilemma, das auch vielen Akteuren der Erneuerbaren-Energien-Branche in Zeiten der von Berlin erklärten „Energiewende“ ein Dorn im Auge ist. Das gilt auch für Ove Petersen, der im Jahr 2009 zusammen mit Heinrich Gärtner das Unternehmen GP Joule gründete. Mit inzwischen 180 Mitarbeitern auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Nordfriesland und im bayerischen Buttenwiesen sowie in weiteren Büros in Kanada und USA plant und managt die Firma Wind- und Photovoltaikprojekte. Außerdem ist man seit geraumer Zeit im Segment der Energiespeicherung aktiv.
So hat das junge Unternehmen vor einigen Jahren die Lübecker Firma H-Tec übernommen, die im Bereich der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie forscht und Elektrolyseure herstellt. Der Erwerb dieser Firma war wichtig, um den sogenannten Stromlückenfüller konzipieren und nun bauen zu können.
Dabei handelt es sich um einen Elektrolyseur, der Strom aus erneuerbaren Energien zur Herstellung von Wasserstoff bezieht und diesen dann bei Bedarf, wenn Wind und Sonne zu wenig Strom bereitstellen, wieder in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) in Strom umwandelt und somit – nach Umwandlung in einen temporären Zwischenspeicherung – die erneuerbare „Stromlücke“ im Netz zu schließen vermag.
Wenngleich dies technisch bereits möglich ist, rechnet es sich noch nicht. Auch das im Januar 2017 in Kraft tretende novellierte EEG wird dies nicht ändern. „Ein Marktdurchbruch von hocheffizienten Speichern kann es damit nicht geben“, klagt Miriam Hegner, Technologie-Referentin vom Bundesverband Energiespeicher (BVES), über halbherzige energiepolitische Rahmenbedingungen.
Unbeirrt davon: Seit Ende 2015 ist der erste Prototyp des Stromlückenfüllers am Firmensitz in der nordfriesischen Gemeinde Reußenköge in Betrieb. Der Strom kommt vom Gasmotor der eigenen Biogasanlage (800 kW) und speist mittlerweile PEM-Elektrolyseure in der Größenordnung von 80 kW. Auch die bei der Wasserstoffproduktion anfallende Wärme wird genutzt: fürs Heizen der Fermenter, der Schweineställe und der Büroräume. „Bei der Elektrolyse wird rund 75 Prozent des Stroms in Wasserstoff umgewandelt, rund 25 Prozent in Wärme, die wir vor Ort nutzen und somit keine Umwandlungsverluste haben“, erklärt Firmenchef Ove Petersen im Konferenzraum, das sich unter dem Dach des alten Wohnhauses befindet. Der Blick aus dem Fenster fällt auf große Windparks, die in den letzten Jahren aus dem Boden gestampft wurden. „Die Rückverstromung in unseren Biogasmotor ist bis zu einem Anteil von 30 Prozent Wasserstoff unproblematisch“, setzt Petersen auf das Power-to-Gas-Konzept. Schon heute sei aus seiner Sicht die Produktion von Wasserstoff und dessen Rückverstromung für unter 20 Cent pro Kilowattstunde durchaus machbar.
Aber nicht nur Strom ist im Fokus, sondern auch die Option, mit Wasserstoff zu tanken. Derweil ist eine Machbarkeitsstudie in Arbeit, die abklopft, wie eine lokale Wasserstoff-Logistik ausgestaltet sein muss, um einen Wasserstoff-Linienbus zwischen dänischer Grenze und Husum zu betreiben. Petersens Credo: „Wenn man mit dezentraler Wasserstoffproduktion Jobs vor Ort schaffen kann, dann entfernt man sich Stück für Stück vom globalen Ölhahn.“
Dierk Jensen
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