Kampf gegen den IS

Sie sollen Terroristen rekrutiert ­haben. Fünf Verdächtige sitzen in Haft

Schlag gegen IS-Anwerber

Dschihad Die Polizei nimmt Abu Walaa fest, den „Prediger ohne Gesicht“. Er soll Kopf eines Netzwerks sein, das junge Leute zum „Islamischen Staat“ nach Syrien schleust

YouTube-Screenshot von Abu Walaa, dem „Prediger ohne Gesicht“. Der 32-Jährige soll Menschen aus Deutschland zum IS nach Syrien geschleust haben Foto: Al Manhaj Media/YouTube/dpa

von Sabine am Orde

BERLIN taz | Am Montagmorgen gab Abu Walaa noch Ehetipps. „Die meisten Eheprobleme könnten gelöst werden, wenn die Ehepartner sich nicht über unnötige Themen streiten würden“, schrieb der salafistische Prediger auf Facebook. Sein lebensnahes Beispiel dafür: ungewaschene Socken. Am Dienstagmorgen nahm die Polizei Abu Walaa und vier weitere Männer in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen fest. Sie sollen laut Bundesanwaltschaft ein salafistisch-dschihadistisches Netzwerk bilden. Ihr Ziel: vor allem junge Menschen zu radikalisieren und zum „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien zu vermitteln.

Chef der Gruppe soll Abu Walaa sein, der offiziell Ahmad Abdulaziz A. heißt. Er gilt in den Sicherheitsbehörden als einer der wichtigsten IS-Unterstützer in Deutschland und wird seit Längerem vom Verfassungsschutz beobachtet. Der 32-Jährige, der aus dem Irak stammt, lebt seit etwa 15 Jahren in Deutschland, zuletzt in Tönisvorst bei Krefeld. Regelmäßig tritt er bei salafistischen Veranstaltungen als Prediger auf. Im Internet veröffentlichte er Videos, in denen er gegen Ungläubige hetzt und auch über andere Prediger herzieht – zuletzt besonders gern über Pierre Vogel, der sich vom IS distanziert hatte. Abu Walaa inszeniert sich als „Prediger ohne Gesicht“ – in den Videos ist er meist von hinten aufgenommen, mal von der Brust abwärts. Sein Gesicht sieht man nie.

Laut Bundesanwaltschaft belässt der Iraker es nicht bei Hetze. Er soll sich offen zum IS bekennen und Ausreisen organisiert haben. Vor allem in der Moschee des Deutschsprachigen Islamkreises (DIK) in Hildesheim soll die Gruppe agitiert haben. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hatte den DIK nach einer Razzia im Juli als bundesweiten „Hotspot der radikalen Salafistenszene“ bezeichnet, dem Verein droht ein Verbot. Aus dem Raum Hildesheim haben sich mehr als 20 junge Männer und Frauen dem IS in Syrien angeschlossen.

Bei der Razzia im Juli wurde niemand verhaftet. Jetzt aber glaubt die Bundesanwaltschaft nachweisen zu können, dass das Netzwerk um Abu Walaa einen jungen Mann samt Familie zum IS nach Syrien schleuste.

Wie die taz aus Sicherheitskreisen erfuhr, soll dieser Mann der 22-jährige Anil O. sein, gegen den derzeit ein Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung läuft. O., ein Medizinstudent, soll im August 2015 über die Türkei zum IS nach Syrien gereist sein und in einem Trainingscamp des IS den Umgang mit Waffen gelernt haben. Im Dezember 2015 verließ O. den IS und fuhr in die Türkei. Bei seiner Rückkehr nach Deutschland im September nahm ihn die Polizei am Flughafen Düsseldorf fest. Danach soll O. ausgesagt und Abu Walaa schwer belastet haben.

„Uns ist heute ein wichtiger Schlag gegen die salafistischen Strippenzieher und IS-Unterstützer gelungen“

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD)

„Uns ist heute ein wichtiger Schlag gegen die salafistischen Strippenzieher und IS-Unterstützer gelungen“, sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wertete die Verhaftungen als „wichtigen Erfolg“.

Laut Bundesanwaltschaft soll es in dem Netzwerk eine klare Aufgabenteilung gegeben haben: Hasan C., ein 50-jähriger Türke, und der 36-jährige Deutschserbe Boban S. lehrten laut Ermittlungen Gleichgesinnten und Ausreisewilligen Arabisch und radikalislamische Inhalte. Der Unterricht sollte die ideologischen und sprachlichen Grundlagen für die künftige Mitarbeit beim IS schaffen. Abu Walaa billigte die Ausreisen und organisierte sie, für die konkrete Umsetzung sollen Mahmoud O., ein 27-jähriger Deutscher, und der 26-jährige Kameruner Ahmed F. Y. zuständig gewesen sein.

Auch Hasan C. ist für die Sicherheitsbehörden kein Unbekannter. Er betreibt in Duisburg-Rheinhausen ein Reisebüro und steht seit Längerem in dem Verdacht, als selbsternannter Imam Jugendliche zu radikalisieren. Die drei jungen Salafisten, die im April in Essen einen Sprengstoffanschlag auf einen Sikh-Tempel verübt haben sollen, sind laut Ermittlungen in C.s Reisebüro ein und aus gegangen. Der Prozess gegen die drei Jugendlichen beginnt am 7. Dezember. Das Netzwerk und Abu Walaa selbst stehen nicht im Verdacht, Anschläge geplant zu haben.