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Kommentar Sanktionen gegen RusslandDrohgebärden helfen nicht

Kommentar von Eric Bonse

Statt von harten Sanktionen ist nach dem EU-Gipfel nur noch von Optionen die Rede. Das liegt auch an Italien. Dessen Premier Renzi hat gute Argumente.

Ihr Alleingang rächt sich – Merkel und Hollande konnten sich beim EU-Gipfel nicht mit ihren Forderungen nach harten Sanktionen gegen Russland durchsetzen Foto: ap

S chlecht gebrüllt, Europa! Das möchte man den 28 Staats- und Regierungschefs der EU zurufen. Noch am Donnerstag hatten sie sich mächtig aufgeblasen und Russland mit Sanktionen wegen der Bombardements im syrischen Aleppo gedroht. Die „Gräueltaten“ dürften nicht ungesühnt bleiben, drohte Kanzlerin Merkel.

Doch nicht einmal zwölf Stunden später ist davon nicht mehr viel übrig. Statt von harten Sanktionen ist im Gipfel-Beschluss nur noch von „allen verfügbaren Optionen“ die Rede. Und statt von einer sofortigen Waffenruhe sprechen die 28 nur noch von „dringenden Schritten für humanitären Zugang“ nach Aleppo.

Der Möchte-Gern-Löwe Europa hat sich über sein eigenes Gebrüll erschreckt. Die Drohgebärden von Merkel, aber auch von Frankreichs Staatschef Hollande und der britischen Premierministerin May, haben keine Mehrheit gefunden. Auf der Bremse standen nicht nur Griechenland und Ungarn, sondern auch Italien.

Wieder einmal rächt es sich nun, dass Merkel versucht, die EU im Alleingang oder im exklusiven Club der „großen Drei“ zu führen. Italiens Premier Renzi hat sich schon oft darüber beschwert, dass die EU nicht nur den Interessen eines Landes – Deutschlands – dienen dürfe. Er will mitreden, auch in der Außenpolitik.

Und er hat gute Argumente. Im Kern sind es dieselben, die Außenminister Steinmeier schon am Montag beim EU-Ministerrat in Luxemburg genannt hatte. Sanktionen bringen keinen Frieden.Die Menschen in Aleppo haben keine Zeit, so lange zu warten, bis Strafen gegen Russland (vielleicht) wirken. Sie brauchen die Waffenruhe jetzt.

Sanktionen ergeben nur Sinn, wenn man eine Strategie für die Lösung des Syrien-Konflikts hat. Doch die hat Europa nach Jahren des Mordens immer noch nicht

Zudem machen Sanktionen nur Sinn, wenn man eine Strategie für die Lösung des Syrien-Konflikts hat. Doch die hat Europa nach Jahren des Mordens immer noch nicht. Eine solche Strategie müsste nicht nur Syriens Machthaber Assad und Russlands Präsident Putin, sondern auch die Türkei und den Iran umfassen – denn sie alle zündeln mit.

Diese Einsicht dürfte die Hardliner jedoch nicht bremsen. Hollande und May werden auch nach dem Flop beim EU-Gipfel weiter mit der Sanktions-Keule drohen. Die spannende Frage ist nun, ob Merkel dabei in Großmacht-Manier mitmacht – oder ob sie sich wieder um Vermittlung bemüht. Und um eine Waffenruhe für Aleppo.

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6 Kommentare

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  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Russland hat die Bombardements von Aleppo ja zunächst eingestellt. Damit sollten weitere Sanktionen auch erstmal zurück gehalten werden. Wenn Russland wieder bombt, sollte neu über Sanktionen nachgedacht werden.

  • "Zudem machen Sanktionen nur Sinn, wenn man eine Strategie für die Lösung des Syrien-Konflikts hat."

    Das ist so nicht richtig. Europa hatte von Anfang an eine Strategie: Regime-Change.

    Dafür war jedes Mittel recht, wie z.B. Sanktionen gegen Syrien - nicht jedoch gegen den IS.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @markstein:

      Haha, was sollte denn beim IS sanktioniert werden?

  • … aber Trump und seinen Fans ankreiden, wenn sie tönen: "Wir haben Eier!"

     

    "Hollande und May werden auch nach dem Flop beim EU-Gipfel weiter mit der Sanktions-Keule drohen", glaubt Eric Bonse, und ich fürchte fast, da hat er recht. Was ist schon eine Macht, hinter der keine glaubwürdige Drohung steckt?

     

    Mit der Brutalität scheint es wie mit dem (wesensverwandten) Geld zu sein: Wenn man seriös wirken will, sollte man es zwar haben, man sollte aber keinesfalls laut damit angeben.

     

    Trump versteht sich als Selfemademan. Er tut, als bräuchte er "die Etablierten" nicht. Das stimmt zwar nicht, ist aber gerade deswegen etwas, was ziemlich viele Leute für sich selbst erträumen. Geld macht nicht glücklich aber frei. Das macht ein reiches Großmaul ziemlich attraktiv in manchen Augen.

     

    Die Spielregeln sind in den sogenannten westlichen Demokratien offenbar zuletzt etwas "verrutscht". Man fühlt sich von den "Etablierten" zwar verraten und verkauft, kippt aber nur deren kulturelle Werte über Bord, nicht ihre Gier. Die neue "Ehrlichkeit" legt man sich anschließend als Heldenmut zurecht. Zugleich haben die Meinungsfreiheit und eine erhebliche mediale Boulevardisierung dazu geführt, dass die "Eliten" dem Wahlvolk immer stärker aufs ungewaschene Maul schauen (können). Das gibt der ganzen Sache noch mehr Drive.

     

    Typen wie Trump haben Erfolg damit, dass sie Felder beackern, die "Ladies" wie Clinton brach liegen lassen (müssen). Typen wie Hollande und May wollen ebenfalls profitieren. Ihre Stillosigkeit legen sie sich selbst als Volksnähe aus, was leider honoriert wird vom dümmeren Teil des Volkes. Wirkt doch die Kluft, die immer noch zwischen "oben" und "unten" klafft, gleich sehr viel kleiner, wenn das Echo, das heraufschallt, wie die eigne Stimme klingt.

     

    Sie werden (wieder) sehen, was sie davon haben werden. Nur wird sie das natürlich auch nicht klüger machen. Wo kein Hirn ist, da kann man auch keine einschalten.

  • Als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet .... könnte man meinen. Aber es war nicht nur eine Blamage für die Scharfmacher. So konnten sie mit der Diskussion um die eilig zusammengestrickte Beschlussvorlage für Syrien-Sanktionen verhindern, daß Italien, Griechenland und weitere ein ganz anderes Thema auf die Agenda bringen, nämlich den Abbau (!) der existierenden und weitgehend wirkungslosen Ukraine/Krim-Sanktionen.

  • "Eine solche Strategie müsste nicht nur Syriens Machthaber Assad und Russlands Präsident Putin, sondern auch die Türkei und den Iran umfassen – denn sie alle zündeln mit."

     

    Genau. Leider ist die Liste nicht vollständig, denn zumindest Katar, Saudi Arabien und nicht zuletzt die USA zählen wohl auch dazu. Wahrscheinlich aber sind es noch einige mehr ... .