piwik no script img

Bundestag zu Sanktionen gegen RusslandIn Syrien wird trotzdem geschossen

Abgeordnete diskutieren über Maßnahmen gegen die russischen Angriffe auf Aleppo. Die Meinungen sind gespalten: Sanktionen sind gut. Reden auch.

Im Bundestag wird geredet, vor dem Kanzleramt gegen den Putin-Besuch in Berlin demonstriert Foto: reuters

Berlin taz | Nur zwei Stunden vor Wladimir Putins Besuch in Berlin war die Situation in Syrien und dem Irak Thema im Bundestag. Auf Antrag der Koalitionsfraktionen debattierten die Abgeordneten am Mittwochnachmittag unter anderem über mögliche Sanktionen gegen Russland wegen russischer und syrischer Luftangriffe auf Ostaleppo. Solche Sanktionen waren in den vergangenen Tagen sowohl von einigen EU-Regierungen als auch von CDU und Grünen ins Gespräch gebracht worden.

Im Bundestag stellte sich SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich nun hinter Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der zusätzliche Strafmaßnahmen gegen Russland zuletzt abgelehnt hatte. „Ich finde zwar, wir sollten Sanktionen nicht ausschließen. Aber die Frage ist berechtigt, ob wir mit Sanktionen erreichen, was wir jetzt erreichen wollen: Den Menschen in der Region die Hilfe zu geben, die sie benötigen“, sagte er. Dahinter steckt die Annahme, dass Sanktionen ihre gewünschte Wirkung höchstens langfristig entfalten, aber nicht kurzfristig zu einem Waffenstillstand führen.

Deutlich gegen eine neue Konfrontation mit Russland stellte sich die Linksfraktion. Fraktionsvize Heike Hänsel begrüßte ausdrücklich das Treffen Angela Merkels mit Wladimir Putin am Abend. „Dialog ist der richtige Weg. Es geht darum, endlich wieder miteinander zu reden und sich nicht mit immer neuen Sanktionsforderungen und Säbelrasseln zu profilieren“, sagte sie. Mit Blick auf die Debatte in Deutschland sprach sie von Doppelstandards: Es sei zwar richtig, wenn die Bundesregierung die Bomben auf Ostaleppo kritisiert. Allerdings werde auch die vom Westen unterstützte Großoffensive auf das irakische Mossul vielen Zivilisten das Leben kosten.

„Ihnen fehlt wirklich jede Kompetenz in Menschlichkeit“, sagte daraufhin Unions-Fraktionschef Volker Kauder an Hänsel gerichtet. Er kritisierte, dass die Linken-Abgeordnete nicht explizit darauf eingegangen sei, dass die russische Luftwaffe in Aleppo zivile Infrastruktur bombardiere. „Dass Putin mit diesen Menschenrechtsverletzungen nichts zu tun hat, entspricht nicht der Wahrheit“, sagte er. Kauders Haltung zu Sanktionen? Der russische Präsident dürfe nun nicht den Eindruck erhalten, dass „reden die einzige Form unserer Auseinandersetzung mit ihm ist“.

Grünen-Parteichef Cem Özdemir hatte in der vergangen Woche ebenfalls Sanktionen gefordert. Sein Parteifreund Omid Nouripour ließ das Thema am Donnerstag im Bundestag aus. Stattdessen forderte er, eine aktuelle Friedensinitiative Kanadas in der UN-Vollversammlung zu unterstützen. „Die Bundesregierung könnte da lauter sein“, sagte er.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Bei Sanktionen wie auch bei Menschenrechtsverletzungen haben wir Doppelstandards. Menschenrechtsverletzungen von ungeliebten Staaten werden deutlich stärker berichtet, manche Meldung stellt sich später als Falschmeldung heraus und vieles dient dazu um Sanktionen oder Angriffskriege zu rechtfertigen. Das bedeutet nicht, dass die Menschenrechtsverletzungen nicht real wären. Wir machen uns nur unglaubwürdig, wenn wir die Menschenrechtsverletzung als Rechtfertigung für die Durchsetzung von US-Machtinteressen verwenden.

    Gut ist, dass die Idee einer "Flugverbotszone" vom Tisch ist. Nicht weil es nicht gut wäre, wenn da keine Bomben mehr geworfen würden. Sondern weil eine "Flugverbotszone" à la Libyen ein Massenbombardement bedeutet, welches nicht nur in Syrien viel mehr Todesopfer fordern würde, sondern eine massive Eskalation in Richtung dritter Weltkrieg wäre.

    Sanktionen klingen vergleichsweise harmlos. Allerdings muss man sehen, dass z.B. im Iran Sanktionen zu vielen Todesopfern geführt hat. Medikamente konnten nicht mehr gekauft werden, da der Zahlungsverkehr blockiert war und jede westliche Firma mit Iran-Geschäften von Banken etc. mit Auflösung der Geschäftsbeziehung sanktioniert wurde. Ebenso sind einige zivile Flugzeuge abgestürzt, da Wartung und Ersatzteile ebenso von den Sanktionen betroffen waren. Auch fragt sich, wie berechtigt die Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine noch sind, wo der Waffenstillstand zuletzt überwiegend durch die ukrainische Seite gebrochen wurde (so der letzte OECD-Report). Washington torpediert zudem die Gespräche zu Syrien, in dem zeitgleich ein Hackerangriff auf Russland angekündigt wird.