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Rechte demonstrieren in BautzenSächsiche Stellvertreterkämpfe

Erneute Polarisierung nach den Septemberkrawallen, aber distanzierte Bevölkerung.

Viele Angereiste: Polizisten vor der Neonazi-Demo Foto: dpa

Bautzen taz | Nach Ablauf der verschärften Polizeiüberwachung des Bautzener Kornmarktes in dieser Woche ist es am Freitagabend wieder zu Demonstrationen gekommen. Bis 18.30 Uhr versammelten sich auf dem Markt, hier „Platte“ genannt, etwa 150 teils organisierte Rechte und wenige Bautzener Bürger.

Ein Block von etwa 50 Jugendlichen marschierte geschlossen mit schwarz-weiß-roten Fahnen auf, darunter die bislang öffentlich noch kaum in Erscheinung getretene „Division Bautzen“ mit eigenen T-Shirts und der Aufschrift „Bautzen bleibt deutsch“. Auch Anhänger des Pegida-Ablegers „Thügida“ waren extra angereist.

Ihnen standen 100 linksgerichtete Demonstranten gegenüber, die sich zunächst ruhig verhielten. Die Polizei schirmte diese Gegendemonstration auffallend rigoros ab. Flüchtlinge zeigten sich nicht an diesem Freitagabend. Bautzener Schaulustige beobachteten beide Aufzüge aus der Distanz. Sie sind in der Regel nicht gut auf diese „Stellvertreterkriege“ zu sprechen, wie ein Passant sagte. Bautzens parteiloser Oberbürgermeister Alexander Ahrens hatte sich vorab bereits von beiden Demonstrationen distanziert.

Lutz Hillmann, Intendant des Deutsch-Sorbischen-Volkstheaters, spottete am Rande auch über das „klägliche Häuflein“ rechter Demonstranten. Zugleich beklagte er, wie viele Bautzener, das seiner Meinung nach ungerechtfertigte Medienecho. Allein zehn Kamerateams wurden gezählt. „Die Ereignisse und deren Widerspiegelung stehen in keinem Verhältnis“, sagte Hillmann.

Für Sonnabend hat das Bündnis „Bautzen bleibt bunt“ zu einem Bürgerfest ebenfalls auf den Kornmarkt eingeladen. Unter dem Motto „Augen auf – Solidarität statt Rassismus und Gewalt“ wollen Vertreter der Zivilgesellschaft auf ein tolerantes und offenes Bautzen aufmerksam machen.

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11 Kommentare

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  • Dass sich die örtlichen Machthaber "raushalten" - also nicht gegen Nazis vorgehen - gilt in der Region Ostsachsen/Dresden/Elbsandsteingebirge NICHT NUR für Bürgermeister!

     

    Es gilt auch für Richter, Lehrer, Journalisten, Verwaltungsleiter, Parteivorsitzende ... von Polizisten gar nicht zu reden.

     

    Sie tun das nur teilweise aus Überzeugung. Wesentlich ist ihre Angst, dass sie selber "weg vom Fenster" wären, wenn sie gegen Nazis vorgingen.

     

    Wer in dieser Randlage Deutschlands "Weimarer Zustände" verhindern will, müsste sich dafür einsetzen, dass die Region eine Notstandsverwaltung durch Treuhänder bekommt, die von der Bundesregierung eingesetzt werden müssen, weil das Land Sachsen eine unabhängige Polizei, Justiz und Kommunalverwaltung nicht mehr gewährleisten kann.

     

    Zum Beispiel sollten Einsätze auf der "Platte" nicht mehr von örtlichen Polizeichefs kommandiert und eskaliert werden. Die Polizei Sachsens deckte die NSU, tut bis heute nichts zur Aufklärung und bedarf daher beim Einsatz gegen Nazis der Anleitung durch nicht-sächsische Kräfte. Richter in ostsächsischen Kleinstädten können keine Urteile gegen Nazis fällen, weil sie sonst um die Sicherheit ihrer Familien fürchten müssten, und daher müssen die Verfahren an Gerichte außerhalb Sachsens übertragen werden. usw.

    • @Rosmarin:

      Gute Idee, nur das Wort "Treuhänder" sollte sicher bessere durch ein anderes ersetzt werden...

       

      Aber im Ernst, auch wenn ich nicht weiß, wie das mit den Gesetzen der Bundesrepublik vereinbar wäre, bin ich schon der Meinung, dass Sachsen das alleine nicht mehr schaffen wird.

       

      Ihren Beispielen kann ich sehr gut folgen und es entspricht der Realität. Zusätzlich gibt es in Sachsen auch immer noch in Behörden alte Gewohnheiten, die nicht rechtsstaatlicher Natur sind.

  • "Bautzens parteiloser Oberbürgermeister Alexander Ahrens hatte sich vorab bereits von beiden Demonstrationen distanziert."

     

    Genau das ist der Boden, auf dem der Rechtsextremismus besonders in Sachsen so gut gedeihen kann: Die notorische Raushalterei der lokalen und landesweiten Politik.

    Der Bürgermeister distanziert sich von den Rechten, aber auch von denen, die gegen die Rechten sind. Aber _wofür_ er ist, bleibt dabei unklar. Vermutlich einfach für "seine Ruhe haben", wie die meisten Bautzener. Also weiter dasselbe wortlose Abtauchen, wie wir es seit Langem kennen.

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @Soungoula:

      Gebe Ihnen recht. Wenn man das eine nicht will und das andere auch nicht, muss man als Leiter einer Stadt eine Lösung finden für diesen unerträglichen Zustand oder auch zurücktreten, wenn man keine Lösung anbieten kann oder will.

      • @4932 (Profil gelöscht):

        Nun ist der OB aber "schon" ein West-Berliner und als Gegenkandidat eines CDUlers aufgestellt worden:

         

        "Zur Bürgermeisterwahl 2015 wurde er von den im Stadtrat vertretenen Parteien DIE LINKE, Bürgerbündnis Bautzen (BBBz) und der SPD aufgestellt." https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Ahrens

         

        Hat er etwa sehr spät seine politische Nische im Osten des Ostens gefunden, wie ca. 20 Jahre vorher viele andere aus dem Westen auch schon?

  • Noch mehr Bautzen, aber keiner will es wissen:

    http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2016/09/20/neonazis-feiern-sportfest-bei-bautzen_22339

     

    "Beim „Ostsächsischen Sportfest“ nahe Bautzen schossen Kinder und Jugendliche mit Luftgewehren. In der Nacht zuvor hatten sich dort Rechte vermummt und mit Schlagstöcken und Eisenstangen bewaffnet."

     

    "Unter dem Motto „Sport frei“ bewarb die „Anti-Antifa“-Kameradschaft „StreamBZ“ aus Bautzen das Fest. Rund 70 Fahrzeuge aus ganz Sachsen stehen dann am frühen Samstagnachmittag auf dem Parkplatz des „Niederschlesischen Feriendorfes“. Hier hatte bereits die NPD gefeiert."

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @Hanne:

      Vielen Dank für Ihren Hinweis auf diesen Zeit Online - Artikel. Fürchterlich. Das offenbar in der ehemaligen DDR konservierte Nazi-Regime erwacht inzwischen wieder in voller Blüte mit seiner ganz häßlichen Fratze. Sachsen und seine Polizei einig im Rechtsradikalismus. Lernen aus der Geschichte ist diesen Menschen offenbar nicht möglich.

  • Wäre schön, wenn zu der "bunten" Veranstaltung auch nur die Hälfte der Kamerateams anreisen würden. Wie soll sich der Widerstand der normalen, aufgeklärten Menschen organisieren, wenn die gewaltgeilen Standardmedien ihn so im Stich lassen?

    In Dresden war es über ein Jahr lang dasselbe: Hut ab vor allen ausdauernden Gegendemonstranten, die fernab von jeglicher medialer Wahrnehmung und sogar noch verunglimpft als ebenso gefährlich die Fahne der Menschlichkeit hochhalten.

  • Einfach die Flüchtlinge von dort evakuieren und dafür sämtliche Soli-Zahlungen und Länderfinanzausgleich einstellen.

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @IL WU:

      Ihr Vorschlag ist der einzig richtige.