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Der Unbeugsame

Kämpfer Manfred Brandt ist der Verlierer des Hamburger Verfassungsgericht-Urteils

von Sven-Michael Veit

Manfred Brandt sei „ein echter Sturkopf“, räumen manche seiner Weggefährten im Bürgerrechtsverein „Mehr Demokratie“ ein, und dabei klingt Bewunderung in ihrer Stimme. Er sei „eine harte Nuss“, sagen Politiker über den 70-Jährigen, die mit Brandt nächtelang über komplexe Details von Volksgesetzgebung und Wahlrecht verhandelten, selbst das Wort „Stiesel“ fällt schon mal zur Charakterisierung des Agrar­wissenschaftlers aus dem Hamburger Süden.

Manfred Brandt, darauf könnten sich alle vermutlich einigen, ist ein Unbeugsamer.Seit mehr als zwei Jahrzehnten kämpft er in vorderster Linie für die direkte Demokratie in Hamburg. Bürgerentscheide und Volksbegehren sieht Brandt als Möglichkeit, „die Kluft zwischen Volk und Gewählten zu überwinden“. Das neue und komplizierte, aber die Macht der Parteien bei der Personalauswahl beschränkende Hamburger Wahlrecht ist für ihn ein Mehr an demokratischer Teilhabe der WählerInnen. Letztlich sollten diese über alles, worüber Abgeordnete in Parlamenten entscheiden, ebenfalls entscheiden dürfen.

Kein Wunder, dass Manfred Brandt nicht bei allen Hamburger Politikern über die Maßen beliebt ist. Kein Wunder auch, dass ihn das Urteil des Hamburgischen Verfassungsgerichts vom Donnerstag maßlos enttäuscht und ärgert: „Es sieht nach einer Generalabrechnung mit der direkten Demokratie aus, die bekanntermaßen nicht allen Entscheidungsträgern gefällt“, findet Brandt. Es sei sogar zu befürchten, dass die Volksgesetzgebung in Hamburg künftig nicht mehr praktikabel sein werde.

Das ist bei nüchterner Betrachtung keineswegs der Fall, aber auch das Geschäft des politischen Zuspitzens beherrscht Brandt, der auf seinem Resthof im Hafenerweiterungsgebiet Moorburg an der Süderelbe lebt. 19 Jahre lang, das ist bezeichnend für sein Durchhaltevermögen, hat er gegen die Hafenerweiterung im benachbarten Fischerdorf Altenwerder geklagt, das um die Jahrtausendwende für den modernsten Hamburger Containerterminal plattgemacht wurde.

40 KlägerInnen waren 1995 ursprünglich vor Gericht gezogen, als einziger und letzter war Brandt übrig geblieben, als vor zwei Jahren das Verwaltungsgericht Hamburg die Klage abwies. Er sei niemandem böse, der aufgegeben habe, sagte Brandt vor der Verhandlung, aber sein Weg sei das nicht, so lasse er sich nicht abspeisen. Dass Leute wie er als Querköpfe betrachtet würden, könne schon sein, sagt er. Aber er wirkt nicht so, als ob ihn das beeindrucken könne.

Der rundliche kleine Mann mit den blitzenden blauen Augen unter buschigen Brauen ist ein Unbeirrbarer, einer mit einer nahezu heiligen Mission. Brandt will Demokratie „zu einer politischen Bildungsveranstaltung“ machen. „Ich möchte in einer gesunden, lebendigen Diskussionsgesellschaft leben“, sagt er.

Zwar habe sich gezeigt, „dass auch Bürgerinitiativen nicht heiliger sein müssen als Parteien“, aber im Grundsatz „bewegt demokratische Teilhabe die Menschen mehr, als Parteien das könnten“. Und eben deshalb führten Volksbegehren und Volksentscheide auch unabhängig von deren Ausgang „zu demokratischen Erfolgserlebnissen“.

Und auch das sagt Manfred Brandt in der ihm eigenen Art, die er weder in seiner Zeit als FDP-Bezirkspolitiker noch als Dozent an der Universität Kiel abgelegt hat, und die er auch Hunderten von Podiumsdiskussionen und Polittalks zum Trotz bewahrte: Manfred Brandt spricht so leise, dass alle an seinen Lippen hängen, um ihn verstehen zu können. Für die Frage, ob das ein bewusster Trick sei, hat Manfred Brandt nur ein leises Lächeln übrig.

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