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Totalblockade im UNO-Sicherheitsrat

Syrien Das mächtige Gremium ist gelähmt: Russland nutzt sein Vetorecht gegen eine Resolution, die einen Stopp der Luftangriffe vorsieht. Und auch der rivalisierende russische Entwurf für eine Waffenruhe scheitert

Russland UN-Botschafter Witali Tschurkin vor der Abstimmung in New York Foto: Eduard Munoz/reuters

von Andreas Zumach

GENF taz | Der UNO-Sicherheitsrat ist bei den Bemühungen um eine Waffenruhe in der heftig umkämpften syrischen Stadt Aleppo stärker blockiert als je zuvor. In der Nacht zum Sonntag scheiterten ein von westlichen Staaten eingebrachter sowie ein von Russland vorgelegter Resolutionsentwurf jeweils am Veto der anderen Seite.

Beide Entwürfe forderten übereinstimmend alle Beteiligten an der Schlacht um Aleppo zu einer „sofortigen Waffenruhe“ auf. Der von Frankreich und Spanien eingebrachte Entwurf verlangte zudem ausdrücklich, alle Luftangriffe der syrischen und russischen Streitkräfte einzustellen. Die Resolution wurde auch von den USA und Großbritannien unterstützt.

Doch der Entwurf erhielt zwar die Ja-Stimmen von 11 der 15 Ratsmitglieder und damit die laut UNO-Charta für die Annahme einer Resolution erforderliche Mehrheit von mindestens neun Staaten. Er scheiterte aber am Veto des russischen UNO-Botschafters Witali Tschurkin.

Neben Russland votierte auch Venezuela gegen den westlichen Entwurf. China und Angola enthielten sich. Bei allen bisherigen Entscheidungen des Sicherheitsrates zum Thema Syrien seit Beginn des Gewaltkonflikts im Frühjahr 2011 hatte China immer genauso abgestimmt wie Russland.

In einem von Russland vorgelegten Resolutionsentwurf fanden die Luftangriffe auf Aleppo keine Erwähnung. Dieser erhielt lediglich die Zustimmung von Venezuela, Ägypten und China. Neun Ratsmitglieder stimmten mit Nein – darunter die drei westlichen Vetomächte USA, Großbritannien und Frankreich. Angola und Uruguay enthielten sich.

Viele Ländervertreter im Rat griffen Russland nach den Abstimmungen außergewöhnlich scharf an. Der russische Resolutionsentwurf sei ein „zynischer Versuch, die Aufmerksamkeit vom Veto abzulenken“, sagte der britische UN-Botschafter Matthew Rycroft. Das Veto und dass die Stimmen für Moskaus eigenen Resolutionsentwurf nicht ausreichten, glichen einer „doppelten Demütigung“.

Russlands Botschafter Tschurkin bezeichnete die Sitzung als „Zeitverschwendung“. Es handele sich um „eines der merkwürdigsten Spektakel in der Geschichte des UN-Sicherheitsrats. Wir müssen über zwei Resolutionen abstimmen und wissen, dass keine verabschiedet werden wird“, erklärte der Botschafter, der im Oktober auch als Präsident des Sicherheitsrats fungiert. Seinen Kollegen warf Tschurkin eine „anti-russische Haltung“ vor.

Eine neue diplomatische Initiative für eine Waffenruhe in Aleppo und ganz Syrien ist in Anbetracht der Blockade im Sicherheitsrat nicht in Sicht. In den UNO-Zentralen in New York und am europäischen Hauptquartier in Genf rechnet man kaum mehr damit, dass sich die Obama-Administration und ihr Außenminister John Kerry vor den Präsidentschaftswahlen am 8. November und vor Amtsantritt von Obamas NachfolgerIn Ende Januar 2017 noch einmal ernsthaft engagieren.

Angesichts der Blockade in der UNO und der anhaltenden schweren Luftangriffe auf Aleppo wird bei der CDU und den Grünen der Ruf nach neuen EU-Sanktionen gegen Russland lauter. „Die Bundesregierung sollte dringend ein Verfahren zur Verhängung neuer Sanktionen gegen Russland für sein barbarisches Vorgehen in Syrien einleiten“, sagte die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, der Bild am Sonntag.

Zuvor hatten sich bereits der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, und der CDU-Europapolitiker Elmar Brok für weitere Strafmaßnahmen gegen Russland ausgesprochen. SPD-Politiker warnten im Gegenzug davor, das Verhältnis zu Russland zusätzlich zu belasten.

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