heute in hamburg: „100 Prozent Bio für alle“
Vortrag und Diskussion Michael Kopatz erklärt, wie sich Umweltbewusstsein standardisieren lässt
45, Umweltwissenschaftler und Autor des Buchs „Ökoroutine – damit wir tun, was wir für richtig halten“.
taz: Was ist Ökoroutine?
Michael Kopatz: Ökoroutine hilft uns, zu tun, was wir für richtig halten. Leute kaufen für 800 Euro einen Grill und haben dann kein Geld mehr für Biowürstchen. Wir schaffen es nicht, das umzusetzen, was wir wollen. Ich möchte die Rahmenbedingungen so verändern, dass sich das verselbstständigt. Ich will 100 Prozent artgerechte Tierhaltung in der gesamten Europäischen Union. Das ist formal absolut realisierbar.
Was ist ihr wichtigster Appell?
Wir brauchen Standards und Limits, damit Öko zur Routine wird. Ich will eine gewisse Akzeptanz und Bereitschaft für solche Vorgaben auslösen. Das kann im Alltag entlastend sein – man muss nicht ständig darüber nachdenken, was das richtige Produkt ist.
95 Prozent der Europäer finden Umweltschutz wichtig – warum wird er nicht umgesetzt?
Leute sind selten bereit, ihre Routinen infrage zu stellen. Das tut man nur, wenn was tiefgreifendes passiert. Nur, wenn man persönlich bedroht ist. 95 Prozent sind für Klimaschutz – aber wenn ich mein Auto stehen lasse, während die ganze Nachbarschaft weiter fährt, denkt man, es würde nichts bringen. Die Leute fühlen sich alleingelassen.
An wen richtet sich ihr Appell?
An die Politik und die Gesellschaft, welche Wandel einfordern muss. Tausend Geschäftsführer wurden weltweit befragt, was für mehr Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen passieren muss. 80 Prozent meinen, dafür brauchen sie radikalere Vorgaben der Politik. Das sagen die natürlich anonym. Aber es ist ein Appell an die Politik. Alleine kann man nicht tun, was man für richtig hält. Auch nicht als Unternehmer.
Was sollte die Politik vorgeben?
Die Standards in der Tierhaltung müssen angehoben werden. Antibiotika verboten, Auslaufflächen erweitert. Wenn sich die Produkte an der Ladentheke verändern, haben wir irgendwann 100 Prozent Bio für alle. Man sollte Limits vorgeben für Starts an Flughäfen, Wohnungs- und Straßenbau, Höchstgeschwindigkeit. Damit Politiker sich trauen, das zu fordern, brauchen sie das Engagement der Zivilgesellschaft.
interview Hannes Vater
„Ökoroutine: Wie kann geschehen, was alle wollen?“: 19 Uhr, GLS-Bank, Düsternstraße 10
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