piwik no script img

Anfrage der AfD Sachsen-AnhaltKein Mut zur Wahrheit

Die AfD Sachsen-Anhalt hat Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität angefragt – und schweigt nun. Die meisten Straftaten kommen von rechts.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Poggenburg sieht Probleme mit dem Islam, Merkel und Justizminister Maas – auch mit Rechtsextremismus? Foto: dpa

Berlin taz | Wo ist denn nur der viel beschworene „Mut zur Wahrheit“ abgeblieben? Die AfD-Fraktion von Sachsen-Anhalt forderte die Landesregierung in einer kleinen Anfrage auf, Fakten vor allem zu linken Straftaten zu liefen.

„Bei der Bekämpfung des Linksextremismus, der die geistige Grundlage linksmotivierter Straftaten bildet, halten sich die Regierungsparteien jedoch bewusst bedeckt“, unterstellte in der Anfrage der AfD-Abgeordnete Jan Wenzel Schmidt.

Es müssten Fakten her, um die Basis für polizeiliche Ermittlungen zu bilden. Nun kam heraus, dass die Antwort schon seit dem 20. Juli vorliegt. Doch die AfD-Fraktion – schwieg. Und auch von dem von dem ansonsten so mitteilungsfreudigen Landesverband kam zum Thema keine Stellungnahme. Nicht einmal ein Facebook-Post. Hat ihnen das Ausmaß an rechtsmotivierter Kriminalität die Sprache verschlagen?

Eindeutige Zahlen

Von 2.162 politisch motivierten Delikten, die 2015 im Sachsen-Anhalt erfasst wurden, sind lediglich 230 von Linken verübt worden und nur 15 von Ausländern. Mehr als 80 Prozent der Straftaten haben dagegen Rechte zu verantworten – darunter 93 Körperverletzungen, 274 Fälle von Volksverhetzung und 1.037 Propagandadelikte. 2015 wurden insgesamt 175 Tatverdächtige ermittelt. 16 Linke und 154 Rechte.

Seitens der AfD fanden diese Zahlen zunächst keine Verbreitung – in sozialen Netzwerken und einigen Medien hingegen schon. Nach diesen Berichten sah sich Anfragensteller Wenzel Schmidt offenbar genötigt, sich – nach über einem Monat – doch noch zu den Zahlen zu äußern. Auf Facebook schreibt er, „einige linke Trolle“ würden versuchen, die Ergebnisse seiner Anfrage zu instrumentalisieren. Nach seiner Einschätzung können „die Linksextremisten“ Propaganda-Delikte und Volksverhetzung „quasi gar nicht begehen“.

Also rechnet er diese weg und stellt in einem Tortendiagramm unter der Überschrift „Politisch-motivierte Gewalttaten in Sachsen-Anhalt (2015)“ 158 linke Delikte 220 rechten Delikten gegenüber. Wie diese Werte zustandekommen sollen, bleibt für Außenstehende schleierhaft. Denn in der Antwort der Landesregierung stehen 41 linke Körperverletzungen gegen 93 rechte, drei linke Bedrohungen gegen 21 rechte und ein linkes Branddelikt gegen fünf rechte.

Klarer Handlungsauftrag

„Ich werde mich zukünftig im Finanzausschuss dafür einsetzen, dass die Mittelvergabe evaluiert und dass auch linke Gewalt in Sachsen-Anhalt aufgearbeitet wird,“ kündigt Wenzel Schmid an und lässt unerwähnt, dass schon heute 43 Prozent der links-motivierten Straftaten aufgeklärt werden (bei rechten Straftaten liegt dieser Wert bei 51,5 Prozent).

„Faktenlage und konkretes Bedrohungspotenzial müssen Ausgangspunkt polizeilicher Ermittlungen bleiben,“ hieß es in Wenzel Schmidts Vorbemerkung zur Anfrage. Nun liegen die Fakten vor. Den Mut zur Wahrheit, ihre Unterstellungen zu revidieren, hatte die AfD jedoch nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Ooops...Leude, das sieht schlecht äus für üns. Do sooochen mer mal bässa nix. Un wär noch mool so änä blöööde Änfroochen stellt der bekommt eens offn Deggel, hab isch misch kloor äusgädröggt?

    (Ohne den Dialekt verallgemeinernd herabsetzend verwenden zu beabsichtigen...)

  • http://www.landtag.sachsen-anhalt.de/fileadmin/files/drs/wp7/drs/d0178aak.pdf

     

    Ein Blick ins Original: dass die AfD von allen Parteien am häufigsten (88x) Opfer von Straftaten in Sachsen-Anhalt ist, ist doch auch bemerkenswert?

    • @TazTiz:

      Das ist leider nicht richtig, es trifft DIE LINKE mit 91! Können Sie der original Quelle entnehmen...

    • @TazTiz:

      Sie meinten natürlich "DIE LINKE", die mit 91 mal am häufigsten Opfer von Straftaten wurde.

    • @TazTiz:

      Wenn sie das Original weitergelesen hätten, hätten sie gesehen, dass die Linke mit 91 mal noch häufiger Opter von Straftaten wurde.

      • @joachimd:

        Sorry, die AfD wurde tatsächlich nur "Zweiter" ... das Bild entsteht vielleicht auch dadurch, dass rechte Symbole oftmals strafbewährt sind, während linke Symbole in der Regel keine kein Problem bedeuten. Womit ein Roter Stern am AFD-Büro nur Sachbeschädigung, eine SS-Runen bei den Linken immer auch zusätzlich ein verbotenes Symbol ist.

        • @TazTiz:

          Sie schrieben, "dass rechte Symbole oftmals strafbew[e]hrt sind, während linke Symbole in der Regel keine kein Problem bedeuten."

           

          ... Aber niemand zwingt die Herrschaften, strafbewehrte Symbole zu zeigen! Sie könnten es genauso gut sein lassen. Dann würden sie auch nicht bestraft.

           

          Logisch, hm?

        • @TazTiz:

          Achguck, nachdem die eine "kleine" Unwahrheit nicht durchging, wird gleich die nächste ausgebuddelt. Straftaten gegen eine Partei sind mit dem Tragen verfassungsfeindlicher Symbole nicht zu machen. Desweiteren sind die Straftatbestände anhand der Paragraphen aus dem StGB aufgeführt. Tja. Pech gehabt.

        • @TazTiz:

          Ja, nun: Niemand wird gezwungen, verbotene Nazischmierereien zu verbreiten oder den Holocaust zu leugnen. Man muß sich nur ans Gesetz halten. Verstehe nicht, was daran so schwer sein soll.

        • @TazTiz:

          Wenn wir die Straftaten gemäß § 86a StGB rausrechnen liegt wieder die afd vorne mit 85 zu 82.

          ob diese geringe differenz nun das suhlen in der Opferrolle rechtfertigt muss dann wohl jeder für sich selbst beantworten.

  • Ist doch logisch das alles was nicht in die braune Traumwelt paßt mittels gefälschter Statistik umgebogen sein muß.

  • Traue keiner Statistik, die du nicht selber...

  • Na ja, man muss die Frage nach der Kriminalität von Migranten, Ausländern und überhaupt allen auch richtig stellen, damit nicht "42" dabei herauskommt... ;-)

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @Joel Klein:

      Bei manchen kommt trotzdem immer 88 raus.