„Zumeist ist das ein stilles Ertrinken“

Untergehen DLRG-Präsident Heiko Mählmann über die Schwierigkeiten der Rettungsschwimmer

Heiko Mählmann

Foto: DLRG Hamburg

51, ist seit 2011 Präsident der DLRG in Hamburg und seit seinem 16. Lebensjahr ausgebildeter Rettungsschwimmer.

taz: Herr Mählmann, wie viel Zeit hat man als Rettungsschwimmer, jemanden vor dem Ertrinken zu retten?

Heiko Mählmann: Sobald jemand unter Wasser geht, gibt es einen Sauerstoffmangel, der zu Hirnschäden führen kann. Diese Schäden gehen nach etwa drei bis fünf Minuten los. Da gibt es aber Unterschiede. Kinder in kalten Gewässern wurden schon nach deutlich längerer Zeit aus dem Wasser geholt, ohne dass sie bleibende Schäden hatten. Aber die Faustregel bleibt bei maximal fünf Minuten. Danach birgt man häufig nur noch Tote.

Welche Menschen geraten denn üblicherweise in Gefahr?

Derzeit beobachten wir, dass es häufig die über 50-Jährigen sind. Einerseits nehmen gesundheitliche Beeinträchtigungen zu – Herz-Kreislauf-Störungen werden im Wasser eine große Gefahr, zum anderen aber überschätzen sich viele im höheren Alter. Sie glauben, sie hätten noch die körperliche Kraft wie vor zehn Jahren, dabei sind sie nicht mehr fit.

Was sieht es bei Geflüchteten aus?

Im Allermöher See starben vor einigen Wochen zwei Jugendliche.Auch das ist ein großes Problem und wird uns weiterhin beschäftigen. Im letzten Jahr starben in Deutschland 27 Flüchtlinge durch Ertrinken. Wir bieten Kurse für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge an. Unsere Trainer berichten, wie manche von ihnen – völlig sorglos – vom Dreimeterbrett ins Wasser springen, aber dann nicht aus dem Wasser schwimmen konnten. Das ist für uns vom DLRG eine anspruchsvolle Aufgabe, aber die Kurse sind nun mal ganz wichtig, um ihnen das Schwimmen beizubringen. Viele haben es in ihrem Heimatland vorher nie gelernt.

Wie häufig müssen Rettungsschwimmer am Tag ins Wasser springen, um Menschen zu retten?

In natürlichen Gewässern, wo die Sicht nur sehr begrenzt ist, springt man nicht in das Wasser, sondern man läuft rein. Man muss ja auch auf sich selbst aufpassen.

Und wie oft kommt das vor?

Das ist ganz unterschiedlich. Sobald das Wetter gut ist, häufen sich die Einsätze rasant.

Was ist das größte Risiko beim Retten von Ertrinkenden?

Dass der Ertrinkende in seiner Panik um sich schlägt, einerseits. Vor allem aber ist der ankommende Rettungsschwimmer der letzte Strohhalm für den Ertrinkenden. Das heißt, er wird sich mit aller Kraft daran festklammern. Sie glauben gar nicht, was für Kräfte sogar Kinder in Todesangst entwickeln können. Man muss also Abstand halten und einen schwimmbaren Gegenstand mitnehmen, nach dem der Ertrinkende greifen kann. Bestenfalls die sogenannte „Baywatch Boje“, wie man sie vielleicht auch noch aus dem Fernsehen kennt. Im Notfall kann schon so ein aufblasbares Gummitierchen helfen.

Wenn jemand ertrinkt, schreit derjenige vorher um Hilfe?

Nein, ganz selten. Zumeist ist das ein stilles Ertrinken. Man reißt die Augen ganz weit auf und ist wie versteinert. Wenn sie erkennen, dass sie in Lebensgefahr sind, kriegen viele keinen Ton mehr heraus.

Es reißt auch niemand als Hilfesignal die Arme nach oben?

Genau. Stellen Sie sich den Moment so vor, als wenn man Ihnen den Boden unter den Füßen wegzieht. Das geht ganz schnell. Und in diesem Moment hat man dann keine Kraft mehr, noch mal hochzukommen. Ich habe mal einen Mann aus dem Wasser gerettet, von der Statur her Typ Bodybuilder, der war fix und fertig. Hatte nicht die Kraft, sich auf sein Surfbrett zu hieven, geschweige denn, noch lange daran festzuhalten. Der hat dann im Boot geheult wie ein Schlosshund. . Interview: André Zuschlag