Der König der Berliner Malls: Im Shopping-Imperium
Harald Huth hat den Einzelhandel in Berlin mit seinen Malls verändert. Wer ist der öffentlichkeitsscheue Investor? Eine Spurensuche.
Harald Huth hat sein Schloss im Bezirk Steglitz erbaut. Hinter der hohen Fassade breiten sich marmorne Gänge aus, goldene Reliefs über neonbeleuchteten Schaufenstern. Zwischen O2-Shop und Ihr Platz sprudelt ein Brunnen, auf dem pseudoantike Statuen posieren. „Das Schloss“, so heißt das Shoppingcenter.
Zur Eröffnung vor zehn Jahren sagte Huth im Interview: „Wenn man in 2, 3 Jahren in ein Taxi steigt und sagt: ,Zum Schloß bitte', und der Fahrer fragt: „Nach Charlottenburg oder Steglitz?‘ “, dann sei das doch eine tolle Sache. Der Investor stellt seine Mall in eine Reihe mit den preußischen Königsresidenzen. Wie ein Feudalherr errichtet er Prachtbauten, um sein Reich zu markieren. Er hat damit viel Geld verdient, Geschäfte gemacht und Karriere.
Seine Firma heißt HGHI, High Gain House Investment. Neben dem Schloss schuf er die Gropius-Passagen in Neukölln, die Mall of Berlin am Leipziger Platz. In Moabit ist das Schultheiss-Quartier im Bau, in Charlottenburg soll die Mall of Ku’damm entstehen. Mit seinen Shoppingpalästen prägt Huth das Stadtbild mit. „Er macht die spektakulärsten Projekte“, sagt Einzelhandelsexperte Christoph Meyer. „Wenn Sie Einzelhändler sind und wollen in Berlin ins Shoppingcenter, müssen Sie mit Herrn Huth sprechen.“
Mit der Presse redet er selten, und wenn, dann mit der Berliner Morgenpost, die ihn „König der Shoppingmalls“ nennt. Er ruft schnell zurück. Nein, ein Interview werde er nicht geben. Er sei nicht wichtig und wolle nicht in der Öffentlichkeit stehen.
67 Malls gibt es schon
Fragt man Menschen, die ihn kennen, ergibt sich das Bild einer ambivalenten Person, intelligent, höflich, fleißig, aber auch rücksichtslos, großspurig, kontrollsüchtig. „Er ist ein extrem guter Fachmann“, sagt ein Branchenkenner, „und extrem durchsetzungsfähig. Er kommt als Einzelner und kriegt hin, woran andere gescheitert sind.“
67 Malls stehen schon in Berlin. Von 4,4 Millionen Quadratmetern Verkaufsfläche liegt jeder dritte in einem Center. Wie viele verträgt die Stadt noch? „Das hängt davon ab, wo sie liegen“, sagt Christoph Meyer, der mit seiner Firma CM Property Retail auf Handelsimmobilien spezialisiert ist. Bundesweit ist der Markt nahezu gesättigt. Aber Berlin wächst, um 40.000 bis 50.000 Menschen im Jahr. Und alle wollen shoppen, auch die Touristen.
Meyer sitzt im feinen blauen Anzug im Büro gleich neben dem KaDeWe. Es gebe Center, die zur Entwicklung der Bezirke beitragen, sagt er, etwa das Schloss in Steglitz: „Ich persönlich finde es kitschig, aber es ist gut in den Standort eingebunden.“ Es gibt aber auch Center, die zerstörerisch wirken. Wie die Gropius-Passagen. Aus ein paar Pavillons ist das größte Center Berlins geworden. „Vielleicht wäre ein bisschen mehr Augenmaß besser gewesen.“ Die Karl-Marx-Straße habe sich bis heute nicht erholt: „Dort liegen die Ladenmieten bei der Hälfte dessen, was in den 90ern erzielt wurde.“
Es kommt auf den Standort an
Die Gropius-Passagen waren 1994 Huths erstes Projekt. Er kam aus Hamburg, 24 Jahre alt. Zunächst arbeitete er für die H. F. S. Hypo-Fondsbeteiligungen für Sachwerte, eine Tochter der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank. Ursprünglich gab es nahe der Siedlung Gropiusstadt 30, 40 Fachgeschäfte. Fast alle haben inzwischen aufgegeben.
Eine Frau mit ernstem Gesicht sitzt in einem Café am Stadtrand. Zwar habe ihr Laden profitiert, sagt sie, „weil wir dadurch eine sehr hohe Kundenfrequenz hatten.“ Aber es kamen Zwänge dazu und ein Umgangston, den sie nicht gewohnt war. „In so einem Center wird mit harten Bandagen gekämpft“, sagt sie. „Man hatte den Eindruck, man ist nicht Geschäftspartner, sondern Bittsteller. Sie lassen einen spüren, wie die Machtverhältnisse sind.“
Die meisten Läden, sagt ein anderer Händler von damals, scheiterten an den Mieten, die Quadratmeterpreise seien schlagartig von 50 auf 140 D-Mark gestiegen. Hinzu kam die Konkurrenz der Filialisten. Huth, sagt er, habe keine Rücksicht genommen: „Die Kleinen sind dem egal.“ Er selbst schloss ein paar Jahre nach dem Ausbau, er sah keine Zukunft mehr: „Diese Center haben alles kaputt gemacht.“
Mal mit, mal ohne Doktortitel
Malls sind teuer, 100 bis 300 Millionen Euro; daher stehen fast immer institutionelle Geldgeber wie Fonds dahinter. Huths HGHI dreht bei der Entstehung neuer Malls auf allen Stufen die Scharniere: Die Firma kauft das Grundstück, wirbt das Kapital ein und managt das Center, ehe sie es weiterverkauft.
Damit steht Huth für den Wandel Berlins von der verarmten Frontstadt zu einer Metropole, die das Interesse internationaler Investoren erregt. Über ihn persönlich ist wenig bekannt. Menschen, die ihn kennen, sagen, dass er sich gern mit Statussymbolen schmückt, vor allem mit Luxusautos. Huth liebt es, Eindruck zu machen, offenbar auch, wenn man dabei tricksen muss. Er tritt mal mit Doktortitel auf, mal ohne. Es gibt in seinem Umfeld Zweifel, dass er promoviert hat. Im Katalogverbund der Universitätsbibliotheken ist keine Doktorarbeit unter seinem Namen verzeichnet.
Huth hat nicht nur die größte Mall von Berlin geschaffen, sondern auch die zweitgrößte. Die „Mall of Berlin“ entstand als Joint Venture der HGHI und der Arab Investment Ltd, einer Firma in London, die islamkonforme Fonds für Anleger im Nahen Osten auflegt. Das Investitionsvolumen lag bei einer Milliarde Euro.
Wo vor dem Krieg das Wertheim-Kaufhaus stand, klaffte nach der Wende lange eine Baulücke. Jetzt nimmt Huths Mall einen ganzen Häuserblock ein, der Mensch verzwergt inmitten des gewaltigen Doppelbaus aus Marmor und Sandstein. „Ich will den Berlinern ihre Mitte zurückgeben“, sagte er dem Magazin Capital.
Viel Streit um die Mall of Berlin
Aber die Eröffnung 2014 war mit Problemen behaftet: Baumängel, Verzögerungen, Ermittlungen. Huths Generalunternehmer ging pleite und hinterließ viele offene Rechnungen. Auch eine Gruppe rumänischer Bauarbeiter erhielt keinen Lohn. Huth sagte stets, er selbst habe gezahlt, könne aber nicht jeden Subunternehmer kontrollieren. Doch so einfach ist es nicht, sagt Sebastian Kunz, der Anwalt der Arbeiter. „Das sind ja Subunternehmerketten. Wenn man das so macht, weiß man natürlich nicht, was am Ende passiert. Das ist vielleicht Absicht.“
Malls sind als Investmentobjekte begehrt, weil sie als lukrativ gelten. Deswegen spiegelt das Angebot der Malls das wider, was Rendite verspricht: Die große Ketten, H&M, Saturn, Zara, müssen da sein, damit die Massen kommen. Auch ein paar kleine Fachgeschäfte sind wichtig. In der Mall of Berlin stehen einzelne Läden leer. Die Gerichte bearbeiten derzeit 93 Streite zwischen der Mall und ihren Mietern.
Einer sagt, Huth sei ihm anfangs stark entgegengekommen, weil er wollte, dass er in seine Mall zieht. „Sie würden ihn mögen“, sagt er. „Er ist sympathisch, smart, freundlich. So, wie man sich einen guten Verkäufer vorstellt.“ Im Schnitt machen Läden in Malls erst ab dem dritten Jahr Gewinn – gleichzeitig muss die Miete reinkommen. Für den Händler ging die Rechnung nicht auf. Sein Vertrag hatte eine Laufzeit von zehn Jahren. Er versuchte, mit Huth zu verhandeln. „Ja“, sagt er, „da war er nicht sehr großzügig. Er sagte: Ich lass Sie aus dem Vertrag nicht raus.“ Die Insolvenz war nicht mehr abzuwenden.
„Du wirst kleingehalten“
Je mehr Fläche und Umsatz in die Malls wandert, umso mehr wächst der Einfluss von Investoren wie Huth. Anders als in der Fußgängerzone bestimmt im Center der Betreiber, wer was verkaufen darf. Die Händler sind nicht frei, ihren Laden zu führen, wie sie wollen. Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes, sieht darin Vorteile: „Die Mieter sind sich einig, weil sie es sein müssen. Im Sinne einer Demokratur ordnet man sich dem Allgemeinwohl unter.“ Draußen bekämen es die Händler oft nicht mal hin, eine Weihnachtsdekoration zu organisieren, geschweige denn einheitliche Öffnungszeiten.
Busch-Petersen hat sich in einem Sitzungsraum niedergelassen, der gerade breit genug ist für einen Tisch und ein paar Ledersessel. Er geht in der Geschichte zurück, um zu erklären, warum die Zahl der Malls in Berlin so rasant gestiegen ist. „Die Mauer hat die Handelsstrukturen im Westen praktisch eingefroren“, sagt er. Dann kam die Wende, neue Verkaufsflächen mussten her, und zwar schnell. Heute gibt es allein in Mitte so viele Malls wie in ganz München. Huth, sagt er, habe in der Branche einen ausgezeichneten Ruf. „Ich halte große Stücke auf ihn“, sagt er, „weil ich weiß, dass die Stadt einen wie ihn gebrauchen kann.“
Berlins Politiker sind Huth fast immer entgegengekommen. Selbst seine Gegner bewundern sein taktisches Geschick. „Er sucht das Gespräch mit den Entscheidern, auch mit der Opposition“, sagt eine Bezirkspolitikerin, „er hat klar analysiert: Hier hat er eine Chance, da nicht. Dann versucht er, Lösungen zu finden.“
Für die HGHI arbeiten rund 90 Angestellte. In der Firma herrsche ein gespanntes Klima, „ ‚Atmosphäre der Angst‘ wäre zu viel gesagt, aber totaler Respekt“, sagt ein früherer Manager. Er schildert einen Chef, der zu Wutausbrüchen neigt und Menschen anbrüllt, wenn etwas schiefgeht. Sein Gehalt war hoch, 100.000 Euro im Jahr. Aber er hielt es nicht lange aus, die ständige Kontrolle, die Bevormundung. Abläufe würden in Einzelschritte unterteilt, jeder müsse laufend Rapport erstatten. „Du wirst kleingehalten und hast keinen Einblick in die größeren Prozesse.“
Harald Huth baut und baut. Die Mall of Berlin soll noch um 20.000 Quadratmeter erweitert werden; der Morgenpost sagte er: „Wenn dann eines Tages der Shopping-District vom Potsdamer Platz bis zum Hackeschen Markt reicht, warum nicht? Man sollte die Verdichtung weiter fortsetzen, das wäre doch toll.“
In der Mall of Berlin ist nicht viel los. Da und dort flanieren Touristen; Turnschuhe quietschen auf Bronzeplatten im Boden. Zitate sind eingestanzt, etwa Barack Obamas „Völker der Welt, schaut auf Berlin“. Ringsum türmen sich Hunderte Geschäfte auf vier Etagen, Schilder weisen da- und dorthin, links geht es zu Laurèl, rechts zum Holocaustmahnmal. Über dem Ausgang ein letzter Gruß, „Good buy“.
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