: Palmer provoziert mal wieder
PARTEIZOFF Der grüne Oberbürgermeister Tübingens spricht sich für die Abschiebung krimineller Flüchtlinge nach Syrien aus – und erntet heftige innerparteiliche Kritik
Aus Berlin Anja Maier
Boris Palmer klingt angefasst. „Ich würde meine Parteifreunde bitten, doch das zu kritisieren, was ich gesagt habe“, sagt er am Telefon. „Und nicht etwas Größeres daraus zu machen.“
Das klingt nach Ärger. Tatsächlich sind sie bei den Grünen gerade alles andere als erfreut über ein Interview, das der Oberbürgermeister von Tübingen der Stuttgarter Zeitung gegeben hat. „Klassischer Palmer-Nonsens“, schreibt Grünen-Chefin Simone Peter auf Twitter. Ihr Kovorsitzender Cem Özdemir sagt der Süddeutschen Zeitung, Palmer könne „ja mal nach Syrien reisen oder sich mit Menschenrechtsorganisationen austauschen, die die Lage dort kennen“. Und die Parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann nennt dessen Äußerungen „wirklich zynisch“.
Was hat er denn nun gesagt, der Grüne Palmer? In dem Interview ging es um die brutale Tötung einer Polin durch einen in Reutlingen lebenden Flüchtling vor zwei Wochen. Auf die Frage, „Wie sollte man mit gewaltbereiten jungen Flüchtlingen umgehen?“, antwortete Palmer: „Es gibt Verhaltensweisen, die dazu führen, dass man sein Aufenthaltsrecht und Schutzbedürfnis verwirkt. Wenn sich jemand nicht an elementare Regeln hält, sind wir berechtigt zu sagen, für euch greift das Asylrecht nicht mehr.“
Auf die Nachfrage, wohin man denn Syrer abschieben solle, antwortete Palmer: „Da Syrer nicht mehr in ihre Ankunftsländer zurückgeschickt werden, gibt es nur einen Weg – zurück ins Herkunftsland.“ Den Einwand, dies sei lebensgefährlich, parierte der Grüne: „Es gibt auch in Syrien Gebiete, die nicht im Krieg sind. Wie erkläre ich denn der Familie eines Opfers, dass der Täter noch im Land ist, obwohl er so aggressiv war?“
Im taz-Gespräch klingt Palmer genervt. Er spricht von schnellen Schlüssen, die JournalistInnen gerne zögen. „Ich sehe nicht ein, warum ich Prügel dafür einstecken soll, wenn ich die Realität in den Blick nehme.“ Jetzt werde er gefragt, wie das gehen solle: Flüchtlinge in syrische Gebiete abzuschieben, „die nicht im Krieg sind“. „Ich stelle die Gegenfrage: Wie macht Deutschland das denn bei Abschiebungen von Unschuldigen nach Afghanistan? Da gilt das alles ja auch.“ Im Übrigen: „Eine solche Sicherheit zu gewährleisten ist nicht meine Aufgabe. Ich habe in dem Interview eine politische Haltung formuliert.“
Palmer sieht ein Dilemma. „Einerseits will man niemanden in Krisengebiete abschieben. Andererseits ist nicht einsehbar, warum schwere Straftäter Zuflucht bei uns suchen dürfen.“ Er bleibt dabei: „Ich halte es für vertretbar, bei schweren Straftätern zu prüfen, ob es für sie im Herkunftsland einen sicheren Ort gibt.“
Eigentlich hatte Palmer eine sommerliche Facebook-Pause angekündigt. Angesichts des Shitstorms meldete er sich am Sonntag doch zu Wort. „Ich weiß, was ich sage, ist nicht die Parteilinie“, schrieb er. Und, ja, sein Vorschlag werfe moralische Fragen auf. Genau die müssten die Grünen aber diskutieren.
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