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Hans-Jürgen Papier rüffelt BND

ÜBERWACHUNG Expräsident des Verfassungsgerichts hält Auslandsüberwachung des deutschen Geheimdienstes für illegal. Gutachten für Frankfurter Internetknoten DE-CIX

von Christian Rath

FREIBURG taz | Die Überwachung von ausländischen Datenströmen durch den Bundesnachrichtendienst (BND) ist rechtswidrig und verletzt Grundrechte. Der BND durfte hierfür auch nicht den Frankfurter Internetknoten DE-CIX kontrollieren. Zu diesem Schluss kommt Hans-Jürgen Papier, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, in einem Gutachten, das der taz vorliegt.

Der BND darf bisher laut Gesetz nur Datenströme von Deutschland ins Ausland und umgekehrt überwachen. Der Datenverkehr (E-mail, Chats, Telefonate) kann dabei anlasslos anhand von Selektoren (Suchbegriffen, Telefonnummern, E-Mail-Adressen) gefiltert und dann ausgewertet werden. Tatsächlich hat der BND daneben immer auch den Datenverkehr von Ausländern im Ausland überwacht. Nach Auffassung der Bundesregierung brauchte er dafür keine spezielle Rechtsgrundlage, weil das deutsche Grundrecht der Fernmeldefreiheit nicht für Ausländer im Ausland gelte. Der BND nutzte hierbei seine Satellitenanlage in Bad Aibling und er griff auf Leitungen von Providern in Deutschland zu, etwa bei der Deutschen Telekom in Frankfurt.

Seit 2009 griff der BND auch Daten am Frankfurter Internetknoten DE-CIX ab. Der BND nutzte dabei eine Anordnung zur Überwachung deutsch-ausländischer Datenströme, wertete dann aber auch die ebenfalls erhaltenen Auslands-Auslands-Datenströme aus. Diese Daten leitete der BND dann sogar an den US-Geheimdienst NSA weiter.

Die Betreiber von DE-CIX – des weltweit größten Internetknotens – fühlten sich hintergangen und kündigten 2015 eine Klage gegen den BND beim Bundesverwaltungsgericht an. Diese Klage ist noch nicht eingereicht. Das Papier-Gutachten, das im Auftrag von DE-CIX erstellt wurde, dient aber der Vorbereitung dieser Klage. Hans-Jürgen Papier kommt darin zu dem Schluss, dass das Fernmeldegeheimnis (Artikel 10 im Grundgesetz) nicht nur für Deutsche und nicht nur in Deutschland gilt. Die Rechtsauffassung der Bundesregierung sei „offenkundig unhaltbar“. Wenn der BND in Frankfurt den Datenverkehr von Ausländern im Ausland abgreife, sei das also durchaus ein Eingriff in deren Grundrechte. Für diesen Eingriff wäre eine gesetzliche Befugnis erforderlich, so Papier.

Gemessen am Datenvolumen ist DE-CIX der weltweit größte Internetknoten

Papier war bis Mai 2010 Präsident des Bundesverfassungsgerichts und beanstandete mehrfach Überwachungsgesetze. Gut möglich, dass das Bundesverwaltungsgericht bei einer DE-CIX-Klage Papier folgen wird.

Die Bundesregierung hat offensichtlich Angst vor der Klage. Sie bereitet bereits ein Gesetz vor, das dem BND künftig auch eine Befugnis für die Auslands-Auslands-Überwachung verschaffen soll. Damit soll die bisherige Praxis des BND zumindest für die Zukunft legalisiert werden. Ob dieses geplante Gesetz aber auch den Anforderungen des Grundgesetzes genügt, hat Hans-Jürgen Papier noch nicht untersucht.

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