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Image-Sorgen wegen Hinz

SPD Der Essener Bezirk stellt Petra Hinz ein Ultimatum, endlich ihr Bundestagsmandat niederzulegen. Doch das wird wohl verpuffen. Sie ist derzeit nicht erreichbar

von Claudia Hennen

KÖLN| Es soll mehr als ein drohender Zeigefinger sein. Die Essener SPD stellt der Noch-Bundestagsabgeordneten Petra Hinz ein Ultimatum und will damit Vertrauen bei Wählern zurückzugewinnen. In einem einstimmigen Beschluss forderte der Parteivorstand die Pseudojuristin am Montagabend auf, wegen ihres gefälschten Lebenslaufs binnen zweier Tage ihr Bundestagsmandat und auch alle anderen Ämter auf Kreisebene, etwa den Vorsitz des Ortsvereins in Essen-Frohnhausen, niederzulegen.

Unabhängig davon wird ein Parteiordnungsverfahren gegen die 54-Jährige eingeleitet. Eine fünfköpfige Schiedskommission in der Essener SPD soll nun über Sanktionen gegen die Genossin entscheiden. Ein Parteiausschluss wird zunächst nicht angestrebt, so der Essener Parteichef Thomas Kutschaty.

Vor zwei Wochen flog auf, dass Hinz sich dreißig Jahre lang fälschlicherweise als Volljuristin ausgegeben hatte, dabei hatte sie nicht einmal Abitur. Die Essener Bundestagsabgeordnete hatte daraufhin ihren Rücktritt angekündigt, diesen aber bislang nicht vollzogen. Seither ist Hinz abgetaucht.

Dass das Ultimatum der Essener Sozis Wirkung zeigt, ist unwahrscheinlich. Bis September sei Hinz krankgeschrieben, teilt ein Sprecher des Bundestags mit. Damit bezieht die Politikerin weiterhin monatlich fast 14.000 Euro an Abgeordnetendiät und Aufwandspauschale.

„Grob parteischädigendes Verhalten“ wirft Bezirkschef Kutschaty, zugleich NRW-Justizminister, seiner Genossin vor. Hinz müsse nicht persönlich beim Bundestagspräsidenten ihren Rücktritt erklären – Norbert Lammert weilt derzeit im Urlaub –, es genüge eine Erklärung beim Notar.

In Essen frage man nicht: „Wer bist du, was hast du“, so SPD-Chef Kutschaty

Wie aber konnte es sein, dass niemand der Essener Genossen von Hinz’Lebenslüge wusste? Bereits in den 1980er Jahren sollen Jusos bemerkt haben, dass Hinz nicht studiert hatte. Aber niemand fragte wohl genau nach. Ein Alt-Mitglied der Essener SPD, der frühere Ratsfraktionschef Willi Nowack, spricht gar von einem „offenen Geheimnis“. Der 65-Jährige sollte selbst bereits zweimal aus der Partei ausgeschlossen werden – erfolglos –, seither keilt er gern gegen frühere Weggefährten. SPD-Chef Kutschaty weist solche Vorwürfe von sich. In Essen frage man nicht: „Wer bist du, was hast du.“ Akademische Abschlüsse seien bei der Arbeit an der Basis im Ruhrpott sogar eher hinderlich.

Eines aber steht fest: Die Essener SPD, einer der mitgliederstärksten Unterbezirke des Landes, entwickelt sich zum Dauer-Sorgenkind, und das ein knappes Jahr vor der Landtagswahl. Erst der Wirbel um Ratsherr Guido Reil, der nach Jahrzehnten bei der SPD nun bei der AfD eine neue politische Heimat gefunden hat. Und jetzt die Causa Hinz. Kutschaty weiß, dass Hinz mit jedem Tag, den sie länger am Amt klebt, der Partei mehr schadet. Künftig will er sich die Lebensläufe von Kandidaten näher anschauen, allerdings widerstrebe es ihm, sich Zeugnisse vorlegen zu lassen.

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