piwik no script img

Die Angst vor dem negativen Signal

GELD Vor dem Banken-Stresstest: Italiens hofft auf schlechte Noten – dann darf der Staat retten

„Keine Bank möchte am Pranger stehen“

Friedrich Thießen, Finanzmarktexperte

HAMBURG taz | Wie krisenfest sind Europas Großbanken? Antworten darauf soll der diesjährige Stresstest von 51 Großbanken geben, dessen Ergebnisse am Freitag von der Europäische Bankenaufsicht (EBA) veröffentlicht werden. Die EBA will die Resultate erst um 22 Uhr nach Börsenschluss herausbringen. So will sie den Investoren Zeit geben, die Ergebnisse bis zur Öffnung der Märkte am Montag zu verdauen.

Auch für die Manager der zwei deutschen Großbanken könnte es kein leichtes Wochenende werden: Die Commerzbank ringt mit einer kürzer werdenden Kapitaldecke. Und die mitten in Renovierungsarbeiten steckende Deutsche Bank wird in den USA wegen undurchsichtiger Hypothekengeschäfte erneut angeklagt. Solche aktuellen Entwicklungen dürften im Stresstest allerdings keine Rolle spielen.

Dieser soll vor allem die grundsätzlichen Fähigkeiten der Institute testen, „auch in einem ungünstigen makroökonomischen Umfeld Schocks abzufedern“, erklärt die Bundesbank. Im Mittelpunkt stehen 37 Geldgiganten aus dem Euroraum, die von Mario Draghis Europäischer Zentralbank (EZB) getestet wurden. Die Teilnehmer decken 70 Prozent des Euro-Bankensektors ab. Banker und Ökonomen kritisieren, dass die teilweise negativen Zinsen der EZB im Test einfach ignoriert wurden. Es sei aber gerade diese Mini-Zins-Geldpolitik, die Schwierigkeiten bereite, kritisiert der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken. Auch der Verband der öffentlichen Landesbanken, VÖB, hält die Annahmen, die dem Stresstest zugrundeliegen, für unrealistisch. So wird im EZB-Szenario für Deutschland ein größerer wirtschaftlicher Einbruch als für Italien angenommen.

EZB und EBA wehren sich gegen solche Kritik: Es könnten nicht sämtliche Risiken durchgespielt werden. Der Stresstest gebe aber wichtige Hinweise dar­auf, wo Schwachstellen für die Zukunft zu finden sind. Und das zeigt Wirkung, lobt Finanzmarktexperte Friedrich Thießen. Der Stresstest „diszipliniere“. Er verhindere, „dass Banken über zu riskante Geschäftspolitiken nachdenken, weil sie dann den nächsten Test möglicherweise nicht mehr überstehen würden“. Schon zu den schlechteren Banken zu gehören habe eine negative Signalwirkung. „Keine Bank möchte am Pranger stehen“, sagt Thießen, Professor an der Technischen Universität Chemnitz. Die infolge der Finanzkrise erstmals 2009 durchgeführten Stresstests hätten dazu beigetragen, dass Banken heute ihre Geschäftspolitiken „langfristig ausrichten“, um auch künftig nicht durch das Raster zu fallen.

Dies sehen nicht alle Beobachter so zuversichtlich. Die linke Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik hält die EZB für ungeeignet als Bankenaufsicht. Sie habe viel zu spät auf die Krise italienischer Banken reagiert. „Wir sind als Alternative für eine Kompetenzstärkung der erst 2011 geschaffenen Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA“, sagt Sprecher Professor Heinz-J. Bontrup von der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen. Das heutige Aufsichtswirrwarr aus EZB in Frankfurt, EBA in London und 28 nationalen Aufsichtsämtern hält Bontrup für konfus.

In Italien hofft man kurioserweise auf schlechte Noten. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Matteo Renzi will einige angeschlagene Banken mit öffentlichen Geldern retten. Das verstößt aber eigentlich gegen die neuen Regeln der EU-Bankenunion. Danach sollen Aktionäre, Gläubiger und Sparer ab 100.000 Euro haften. Nicht der Staat. Der darf aber eingreifen, wenn der Stresstest ein „systemisches Risiko“ für Italien ergibt. Hermannus Pfeiffer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen