: Clinton und schon wieder E-Mails
USA I Chaos bei den Demokraten: Nach Wikileaks-Enthüllungen muss Parteichefin Wasserman Schultz zurücktreten – pünktlich zum Auftakt des Parteitags
Aus Philadelphia Frank Herrmann
Eigentlich sollte es der bisherige Höhepunkt in der Karriere der Debbie Wasserman Schultz werden. Wäre alles nach Plan verlaufen, hätte die aufstrebende Kongressabgeordnete aus Florida vier Abende hintereinander im Rampenlicht gestanden. Aber statt als Cheforganisatorin des Nominierungsparteitags der Demokraten in Philadelphia die Regie zu führen, musste die Vorsitzende des Nationalkomitees der Demokraten (DNC) am Wochenende ihren Rücktritt einreichen – so abrupt, dass klar war, dass ihr das Messer auf die Brust gesetzt worden war.
Erneut sorgt eine E-Mail-Affäre für Furore, nachdem schon Clintons fahrlässiger Umgang mit elektronischer Dienstpost in ihrer Zeit als Außenministerin heftige Kritik ausgelöst hatte. Diesmal geht es um 19.252 gehackte Mails vom internen Parteiserver, veröffentlicht von der Enthüllungsplattform Wikileaks. Sie ergeben – für Insider alles andere als überraschend – das Bild einer Parteiführung, die alles tat, um dem stark auftrumpfenden Außenseiter Bernie Sanders so viele Steine wie möglich in den Weg zu legen. Und die in dem 74 Jahre alten Senator irgendwann nur noch einen bockigen Störenfried sah.
In einer Mail vom 21. Mai, als die Ziellinie des Vorwahlmarathons in Sicht kam, schlug Wasserman Schultz vor, auf bestimmte Aussagen von Sanders gar nicht erst zu reagieren: Der Mann werde sowieso nicht Präsident. Bei anderer Gelegenheit regte einer ihrer Mitarbeiter an, das vermeintliche Chaos in den Reihen des Clinton-Rivalen zum Thema zu machen: Wenn man erzähle, dass Bernie nie etwas auf die Reihe kriege, das könnte doch eine schöne Geschichte sein. Und vor den Primaries in Kentucky und West Virginia versuchten DNC-Leute, Zweifel am jüdischen Glauben des Kandidaten zu säen. In Wahrheit sei Sanders doch eher ein Atheist, sollte in zwei Bundesstaaten suggeriert werden, in denen die Wähler als besonders religiös gelten.
Bemerkenswert ist, mit welcher Würde Sanders auf die Enthüllungen reagierte. Er wisse seit Langem, dass sich das DNC ihm gegenüber nicht fair verhalten habe, sagte er dem Fernsehsender ABC. Aber er wolle nicht länger Gefechte auf einem Nebenkriegsschauplatz führen. Jetzt hätten die Demokraten alles einem einzigen Ziel unterzuordnen: zu verhindern, dass Donald Trump im November die Wahl gewinnt und ins Weiße Haus einzieht.
Ebenso bemerkenswert sind die außenpolitischen Irritationen, die den Enthüllungen folgen. Folgt man dem Clinton-Lager, dann hat Russland seine Hände im Spiel. Robby Mook, Clintons Wahlkampfmanager, sieht Hacker am Werk, die im Auftrag des Kremls handelten; sie hätten den Fundus an Wikileaks weitergegeben. Konkrete Beweise nannte Mook nicht, glaubte aber ein politisches Motiv auszumachen: Mit der Affäre wollten die Russen Donald Trump helfen. Der habe schließlich erkennen lassen, dass die USA unter einem Präsidenten Trump den baltischen Nato-Mitgliedern womöglich den Beistand gegen Russland verweigern, sollten sie ihren finanziellen Verpflichtungen im Rahmen des Bündnisses nicht nachgekommen seien.
Wie die New York Times am Montag unter Berufung auf US-amerikanische Ermittler schrieb, seien die Behörden zu dem Schluss gekommen, dass die Hacker im Auftrag zweier russischer Geheimdienste handelten. Metadaten der publizierten E-Mails ließen erkennen, dass die digitale Post vom Parteiserver durch russische Computer gelaufen sei.
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