Pascal Beucker über den Polizeieinsatz in München: Tabubruch mit Ansage
Die Angst vor dem Terror macht bislang Undenkbares denkbar. In München hätte es sogar zu einem Einsatz der Bundeswehr kommen können. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte am Freitag bereits eine Einheit der Feldjäger in Bereitschaft versetzt.
Es wäre ein Tabubruch mit Ansage gewesen. In der Bundesregierung gibt es schon lange Überlegungen, die Bundeswehr auch zur Antiterrorbekämpfung im Innern einzusetzen. Dabei beruft sie sich auf ein Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2012, das die Möglichkeiten des Soldateneinsatzes im Inland deutlich erweitert hat.
Laut Grundgesetz darf die Bundeswehr nur zur „Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung“ oder im Falle „einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall“ zur Unterstützung der Polizeikräfte im Innern eingesetzt werden. Nach Interpretation der Regierung kommt das auch „bei terroristischen Großlagen in Betracht“, wie es im gerade veröffentlichten Weißbuch heißt. Eine höchst fragwürdige Auslegung.
So fürchterlich das Blutbad im Olympia-Einkaufszentrum auch war: Es handelte sich um die räumlich und zeitlich begrenzte Tat eines Einzelnen. Etwa zweieinhalb Stunden nach dem Amoklauf erschoss sich der 18-jährige Täter vor den Augen von Polizeibeamten. Damit hätte der Großeinsatz beendet sein können. Stattdessen wurde die gesamte Stadt in den Ausnahmezustand versetzt.
In der jüngeren Geschichte Münchens gab es schon mehrere schlimme Terrorakte. Doch niemals zuvor führten sie zu derart drastischen Reaktionen. Die Münchner Geschehnisse belegen, in welch hysterischem Zustand sich die Republik befindet. Dazu gehört auch, dass sich niemand über von der Leyens Überlegungen auch nur empörte. Es bereitet Unbehagen, sich vorzustellen, was erst passiert, wenn es wirklich zu einem terroristischen Anschlag kommt.
Schwerpunkt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen