Kommentar Gina-Lisa Lohfink vor Gericht: Nur eine von vielen
Der Fall Gina-Lisa Lohfink zeigt, wie überfällig eine Verschärfung des Sexualstrafrechts ist. Aber das macht sie nicht zu einer Vorkämpferin.
D as war abzusehen: Der Prozess um Gina-Lisa Lohfink wird noch eine ganze Weile weitergehen, ein Urteil war am Montag schon vor Beginn der Verhandlung nicht zu erwarten. Doch das, was sich vor dem Kriminalgericht in Berlin-Moabit abspielte, hat eine neue Dimension erreicht: DemonstrantInnen halten Transparente hoch, auf denen steht: „Du bist nicht allein.“ Eine Aktivistin der feministischen Gruppe Femen bekundet mit nacktem Oberkörper Solidarität mit dem Model Lohfink. Frauen rufen „Nein, nein, nein.“ (Lesen Sie hier eine Reportage vom Prozesstag)
Am Ende des Verhandlungstages wird sich Gina-Lisa Lohfink für die kämpferische Anteilnahme bedanken: „Ich bin überwältigt, dass ihr mir so helft.“ Schon wird die frühere Teilnehmerin von „Germanys next Topmodel“ von manchen als eine Art neuer Feministin gehandelt. Ist sie durch das, was ihr angetan wurde, und aufgrund des undurchsichtigen Prozesses tatsächlich zu einer Feministin geworden? Oder versteht sie es, die mediale Aufmerksamkeit professionell für sich zu nutzen?
In jedem Fall wirkt der Fall Lohfink nach. Nicht nur, weil die grandiose Welle der Solidarität verdeutlicht, dass Feministinnen ihre Geschlechtsgenossinnen nicht in gute und schlechte Frauen einteilen: Auch wer sich die Lippen aufspritzt, sich die Brust vergrößern lässt und in Pornos mitmacht, ist selbstverständlich genauso viel wert wie jede andere, die das nicht tut.
Nachwirken wird der Fall auch, weil es künftig solche Prozesse nicht mehr geben sollte: Im Sexualstrafrecht könnte es in Kürze den Passus „Nein heißt Nein“ geben. Das dementsprechend reformierte Gesetz soll in der nächsten Woche im Bundestag verabschiedet werden.
Ein jahrzehntelanger Kampf
Das ist allerdings nicht das Verdienst von Gina-Lisa Lohfink, auch wenn manche das jetzt gern so darstellen. Auch Lohfinks UnterstützerInnen haben nicht bewirkt, dass das „Nein heißt Nein“ im Sexualstrafrecht tatsächlich umgesetzt wird. So großartig die Woge der Zustimmung auch ist.
Lohfink und ihre UnterstützerInnen haben allenfalls verdeutlicht, wie überfällig die Verschärfung des Sexualstrafrechts ist. Die Stimmung im Land und in der Politik für ein „Nein heißt Nein“ im Strafrecht war noch nie so gut wie jetzt. Insofern darf damit gerechnet werden, dass der Bundestag am 7. Juli dem Gesetzentwurf aus dem Justizministerium mehrheitlich zustimmen wird.
Dafür haben Frauen- und Menschenrechtsorganisationen, Juristinnen und engagierte Bundestagsabgeordnete jahrzehntelang gekämpft. Sie haben mit klugen Argumenten, mit Fallanalysen und mit belastbaren Zahlen immer wieder für eine Gesetzesverschärfung geworben.
Sie haben versucht, die Polizei zu sensibilisieren, den Blick der RichterInnen zu schärfen. Und dafür gesorgt, dass ausführliche Studien über häusliche Gewalt und Vergewaltigung durchgeführt werden. Sie haben die Politik vor sich her getrieben, nicht Gina-Lisa Lohfink.
Der reformierte Gesetzentwurf ist älter als die hitzige Debatte um den Lohfink-Prozess. Das ist auch gut so. Ein Einzelfall wie dieser eignet sich nicht, um das Strafrecht zu beurteilen und gegebenenfalls nachzubessern.
Ein Einzelfall ist ein Einzelfall ist ein Einzelfall, unabhängig davon, wie dramatisch er sich darstellt. Wichtig ist, dass mit dem Passus „Nein heißt Nein“ im Sexualstrafrecht ein Paradigmenwechsel erfolgt: dass Übergriffe gegen den erkennbaren Willen des Opfers künftig geahndet werden.
Dass das jetzt eine noch breitere Öffentlichkeit erfährt, ist möglicherweise dem Fall Gina-Lisa Lohfink zu verdanken.
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