: Brüssel setzt Ceta sofort um
Freihandel I Die EU-Kommission will beim umstrittenen Handelsabkommen nicht auf den Bundestag warten. Auch bei TTIP macht Juncker wieder Druck
Aus Brüssel Eric Bonse
Das umstrittene Ceta-Freihandelsabkommen mit Kanada soll so schnell wie möglich und ohne Einschränkungen in Kraft treten. Die Beteiligung der nationalen und regionalen Parlamente ändere daran nichts, sagte ein hochrangiger Vertreter der EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel. Auch das Veto eines Landes soll Ceta nicht mehr stoppen.
Die Verträge gelten als Blaupause für das ebenfalls geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP). Die EU-Kommission wollte Ceta eigentlich als reines EU-Abkommen einstufen. In Ländern wie Deutschland hält man es aber wegen der heftigen Kritik am Abkommen für unverzichtbar, die nationalen Parlamente einzubeziehen. Am Dienstag hatte die EU-Kommission beschlossen, Ceta nicht als reine EU-Angelegenheit zu behandeln.
Die EU will nun jedoch im Eilverfahren Fakten schaffen: Der Ministerrat soll „so schnell wie möglich“ die vorläufige Umsetzung beschließen, so der Ceta-Experte. Dafür genüge eine qualifizierte Mehrheit, die als sicher gilt. Was passiert, wenn danach noch ein Staat die Ratifizierung verweigert, „das wissen wir nicht“.
Die nationalen und regionalen Parlamente sollen also kein Vetorecht haben – trotz oder gerade wegen des wachsenden Widerstands. Vor allem in Deutschland, Österreich und Belgien zeichnen sich turbulente Parlamentsdebatten ab. Die belgische Region Wallonien hat schon „Non“ zu Ceta gesagt.
Auch im Deutschen Bundestag und im Bundesrat dürfte es Streit geben. Vor allem die Grünen gehen auf die Barrikaden. „Ceta ist ein schlechtes Abkommen“, sagte der Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin der Rheinischen Post. „Ein solches Abkommen sollte weder vorläufig noch endgültig angewendet werden.“ Als Argumente gegen Ceta nannte Trittin „Klageprivilegien für Unternehmen“ und eine Schwächung des Vorsorgeprinzips aus Verbrauchersicht.
Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat können die Grünen Beschlüsse der Länderkammer blockieren. Auch in der SPD brodelt es. Zahlreiche Sozialdemokraten stehen den Freihandelsabkommen kritisch gegenüber. Auf den SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel kommt noch viel Überzeugungsarbeit zu.
Ein Vertreter der EU-Kommission
Nun sei es an den Regierungen der EU-Länder, für Ceta zu werben, betonte der Kommissionsexperte in Brüssel. Durch die Beteiligung der nationalen Parlamente, die Gabriel vehement gefordert hatte, sei ein „Element der Unsicherheit“ entstanden. „Wir haben nun eine viel breitere Debatte, das müssen die Regierungen klären.“
Nach dem Plan der EU-Kommission soll Ceta bereits Anfang 2017 vorläufig in Kraft treten. Ebenfalls zu Beginn des kommenden Jahres wird ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Freihandel mit Singapur erwartet. Dabei geht es um die bis zuletzt strittige Frage, ob es sich um ein „gemischtes Abkommen“ oder um ein rein europäisches Abkommen ohne Beteiligung der nationalen Staaten handelt. Von dem Urteil erhofft sich die Kommission Klarheit für das weitere Vorgehen – nicht nur bei Ceta, sondern auch bei TTIP.
Die Verhandlungen über TTIP werden bereits in der kommenden Woche weitergeführt. Die Zeit wird knapp – genau deshalb hatte es Juncker jetzt mit Ceta so eilig. „Wenn wir keine Abkommen mit Kanada hinbekommen, mit wem können wir dann überhaupt noch ein Abkommen schließen“, fragt der Kommissionsexperte. Es ist rhetorisch gemeint – als weiteren Grund, den Widerstand aufzugeben.
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