Papperlapapp

Verbraucherschutz Einwegflaschen sollen künftig eindeutig gekennzeichnet werden. Das verspricht die Industrie. Ach ja? Ein Best-of der Selbstverpflichtungen aus der Wirtschaft – und was daraus geworden ist

Trotz Versprechen gibt es viel zu wenig Mehrweg Foto: plainpicture

VON Svenja Bergt

Flaschen überall

Das Problem: Bier in Dosen, Milch in Kartons mit Plastikverschluss und Wasser in Einwegflaschen. Macht alles Müll.

Das Versprechen: Bei Getränken soll der Anteil von Mehrwegverpackungen nicht unter 72 Prozent fallen.

Wer hat es gegeben: der Handel und die Getränkeindustrie.

Wann war das: 1991.

Was ist daraus geworden: Die sogenannte Mehrwegquote, Anfang der 90er Jahre noch bei 72 Prozent, fiel über die Jahre weiter. Auch das seit 2003 erhobene Pfand auf Einwegverpackungen hat das Problem nicht gelöst. Heute sind nicht einmal mehr die Hälfte der verkauften Getränke in Mehrweg verpackt. Deshalb sollen Einwegverpackungen besser gekennzeichnet werden. Das verspricht nun die Industrie. Mit einer neuen Selbstverpflichtung (siehe Seite 6).

Kein Anschluss für alle

Das Problem: Die unterschiedlichen Anschlüsse zum Laden von Handys verursachen Müll: Die Europäische Kommission schätzt, dass jährlich 51.000 Tonnen Elektroschrott entstehen, weil Verbraucher für ihr neues Telefon ein neues Ladegerät brauchen.

Das Versprechen: Schluss mit unterschiedlichen Anschlüssen, je nachdem welche Version von Nokia, Samsung oder iPhone man gerade nutzt. Einmal ein Ladegerät gekauft oder dazubekommen, passt es auch auf das Smartphone von Freund oder Kollegin.

Wer hat es gegeben: mehrere Hersteller, darunter Samsung, Sony Ericsson und Apple.

Wann war das: 2009

Was ist daraus geworden: Als sich die Hersteller auf ein einheitliches Ladegerät geeinigt hatten, war die Laufzeit der ausgehandelten Selbstverpflichtung schon fast wieder um. Ein Teil der Hersteller setzte tatsächlich nach und nach auf den einheitlichen Micro-USB-Anschluss. Aber längst nicht alle. Apple zum Beispiel schert immer noch aus der Reihe. Ab 2017 schreibt nun eine EU-Richtlinie einheitliche Anschlüsse vor.

Werbung für alles

Das Problem: Zucker, Süßstoffe, Salz und noch mal Zucker – Lebensmittel, die speziell für Kinder attraktiv sein sollen, sind selten gesund.

Das Versprechen: „Wir werden unsere Lebensmittelwerbung für Kinder ändern“, so der Kern der Zusage. An Kinder unter zwölf Jahren gerichtete Werbung werde es nur noch geben, wenn die beworbenen Produkte nicht ungesund seien.

Wer hat es gegeben: mehrere Unternehmen, die gemeinsam für 80 Prozent der Werbeausgaben im Lebensmittelbereich stehen. Zu den Unterzeichnern gehören Nestle, McDonald’s und Coca-Cola.

Wann war das: 2007.

Was ist daraus geworden: Verbraucherrechtler und Gesundheitsorganisationen wie die Diabetesgesellschaft haben im vergangenen Jahr den gesundheitlichen Wert von 281 Produkten untersucht, die sich durch ihre Vermarktung an Kinder richten. Das Ergebnis: 90 Prozent der getesteten Speisen und Getränke erfüllen die WHO-Kriterien für unbedenkliche Nahrungsmittel nicht. Zu viel Zucker, zu viel Salz, zu viel Fett. Und die WHO-Kriterien gelte es einzuhalten, wenn man über Gesundheit spreche. Die selbst gegebenen Kriterien der Branche seien unangemessen oder veraltet.

Kein Konto für alle

Das Problem: Miete, Strom, Telefon – ein Leben ohne Konto ist hierzulande schwer. Schätzungen, etwa von der EU-Kommission, gingen zuletzt davon aus, dass bundesweit zwischen einer halben und einer Million Menschen unfreiwillig ohne Konto leben. EU-weit sollen es 30 Millionen sein.

Das Versprechen: Jeder, der will, soll bei einer Bank oder Sparkasse in seiner Region ein Girokonto bekommen können, zumindest eines auf Guthabenbasis. Auch wenn jemand keine Wohnung hat, überschuldet ist oder die Schufa die Bonität ungenügend findet.

Wer hat es gegeben: die Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft.

Wann war das: 1995.

Was ist daraus geworden: Sozialverbände und Schuldner­beratungen mussten trotz Selbstverpflichtung immer wieder Betroffene beraten, denen ein Konto verwehrt wurde. Schließlich hat die EU die Initiative ergriffen und 2014 eine Richtlinie beschlossen. Diesen Monat ist sie auch in Deutschland in Kraft getreten. Das Recht auf ein eigenes Konto, nun steht es im Gesetz.

Dreck für alle

Das Problem: Klimawandel, verursacht durch Treibhausgase, verursacht unter anderem durch Autos.

Das Versprechen: Die CO2-Emissionen von Autos sollten sinken. Und zwar bis 2005 um 25 Prozent.

Wer hat es gegeben: die Automobilindustrie.

Wann war das: 1993.

Was ist daraus geworden: Nennenswerte Rückgänge bei den Emissionen zeigten sich erst ab 2007 – und dabei auf dem Papier deutlich stärker als in der Realität. Damals begann langsam eine Debatte um die verfehlten Ziele der Selbstverpflichtung und die Frage, ob es nicht doch gesetzliche Grenzwerte braucht. Die wurden dann 2009 beschlossen – sind allerdings bis heute wenig ambitioniert.

Miese Quote für alle

Das Problem: Frauen in Führungspositionen, etwa in Vorständen und Aufsichtsräten, sind in Unternehmen immer noch die Ausnahme.

Das Versprechen: Frauenförderung. Die Unternehmen verpflichten sich, eigene Quoten für Frauen in Führungsposi­tionen einzuführen.

Wer hat es gegeben: die Vorstände der DAX-30-Unternehmen.

Wann war das: 2011.

Was ist daraus geworden: Drei Jahre später war der Männer­anteil in den Aufsichtsräten laut Zahlen der Initiative FidAR zwar etwas gestiegen, lag aber immer noch bei mehr als 80 Prozent. Der Bundestag beschloss daher 2015 ein Gesetz – das mindestens 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten vorschreibt.