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Normalisierung in Sicht

ISRAEL Sechs Jahre nach dem Desaster um das Schiff „Mavi Marmara“ wollen die Regierungen in Jerusalem und Ankara ihren Streit nun beilegen

Ein Ende der Seeblockade des Gazastreifens wird es nicht geben

AUS JERUSALEM Susanne Knaul

Die Eltern von Oron Shaul halten in einem Zelt vor der Residenz von Regierungschef Benjamin Netanjahu in Jerusalem eine Mahnwache für ihren toten Sohn ab. Der israelische Soldat gilt als gefallen im Krieg vor zwei Jahren, eine Beerdigung gab es nicht.

Die sterblichen Überreste des jungen Mannes sind in den Händen der islamistischen Hamas im Gazastreifen. Netanjahu habe der Familie versprochen, ohne Aushändigung des Leichnams von Oron Shaul und eines zweiten Gefallenen keinem Versöhnungsabkommen mit der Türkei zuzustimmen, sagt das Ehepaar Shaul, und tue es am Ende doch.

Sechs Jahre nach dem Desaster der „Mavi Marmara“, eines türkischen Passagierschiffs, das mit Hilfsgütern auf dem Weg zum Gazastreifen war, versuchen Jerusalem und Ankara einen neuen Anlauf zur Normalisierung der Beziehungen. Israel soll Verletzten und Familien von neun türkischen Zivilisten, die bei den Gefechten mit Marinesoldaten ums Leben kamen, eine Wiedergutmachung von insgesamt rund 18 Millionen Euro zahlen. Umgekehrt verzichtet die Türkei darauf, Anklage gegen die Armee zu erheben. Einem Ende der Seeblockade Gazas, wie sie die Türkei anfangs forderte, stimmte Israel nicht zu. Beide Seiten profitieren von einer Wiederaufnahme voller diplomatischer Beziehungen. Seit über 15 Jahren ist die Rede von türkischem Wasser für Israel und umgekehrt israelische Rüstungsgüter für die Türkei.

Galia Lindenstrauss vom Tel Aviver Thinktank INSS (Institut für Nationale Sicherheitsstudien) glaubt, dass Ankara mit der Annäherung an Israel „der eigenen Abhängigkeit vom russischen Gas“ entgegenwirken wolle. Außerdem sei die Türkei international stark isoliert. Lindenstrauss, Expertin für türkische Außenpolitik, sieht einen Richtungswandel in Ankara „hin zu einer zunehmend pragmatischen Haltung anstelle von ideologischen Erwägungen“. Die Türkei könne im Fall von neuen Eskalationen zwischen Israel und der Hamas eine „wichtige Vermittlerrolle“ einnehmen, glaubt Lindenstrauss.

Am Wochenende empfing Erdoğan den Chef der Hamas, Chaled Meschal, in Istanbul, um ihn über das Abkommen in Kenntnis zu setzen. Auch die Palästinenser sollen nicht leer ausgehen. Israel verpflichtete sich offenbar dazu, Hilfslieferungen aus der Türkei am Hafen von Aschdod in Empfang zu nehmen und in den Gazastreifen weiterzuleiten. Außerdem gibt es grünes Licht für die Türkei, ein Elektrizitätswerk und eine Entsalzungsanlage an der palästinensischen Mittelmeerküste zu errichten. Mit einer Unterzeichnung des Abkommens wird Anfang Juli gerechnet.

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