: Wie der Hafen nach Hannover kam
Drahtzieher Das Debakel der Bremer Landesbank wurde vom niedersächsischen Finanzministerium vorbereitet. Den Nutzen hat nun Niedersachsens Landesbank, die Nord LB
Von Hermannus Pfeiffer
Bei der Abwicklung oder, nach anderer Lesart, Rettung der Bremer Landesbank geht es nicht nur um eine Bank, sondern auch um Einfluss: Die Hausbank des Senats ist an mehreren Wohnungsbaugesellschaften mit Abertausenden Mietwohnungen beteiligt sowie mit 12,6 Prozent an der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft (BLG). Über sieben Millionen Autos führt die BLG-Gruppe pro Jahr aus, mehr als 8.000 Jobs in den Häfen von Bremen und Bremerhaven hängen an dem international tätigen Logistikkonzern.
Im Falle einer Übernahme durch die niedersächsische Landesbank Nord LB würde künftig in Hannover über diese hansestädtischen Beteiligungen entschieden – ein Horrorszenario für manchen Bremer. „Damit gewinnt die Nord LB Einfluss auf die Unternehmensstrategien“, sagt der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel. „Das könnte zu schweren Interessenkonflikten führen.“
So konkurriert die BLG, die mehrheitlich der Stadt Bremen gehört, mit ihren Bremer Terminals vor allem beim Geschäft Offshore-Windenergie mit dem niedersächsischen Cuxhaven. Sie betreibt aber auch über eine Tochtergesellschaft den Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven, ein desaströses Prunkstück niedersächsischer Industriepolitik.
Arno Gottschalk, SPD-Finanzexperte in der Bremer Bürgerschaft
Die öffentlich-rechtliche Nord LB wäre aber nicht nur der Nutznießer der Probleme, sie hat diese auch mit verursacht. Seit den 80er-Jahren gehörte die Bremer Landesbank zum NordLB-Konzern, bis 2012 hielt dieser über 80 Prozent des Kapitals. Erst auf Druck der EU wurde der Anteil der Hannoveraner Staatsbank halbiert, Bremen hielt seitdem 41 Prozent an „seiner“ Hausbank.
Zum Verhängnis wurden der Bremer Landesbank ihre Schiffskredite, die sie auf Geheiß der Europäischen Zentralbank neu bewerten musste. Das Kreditportfolio der Bremer Landesbank aber geht im Wesentlichen auf Entscheidungen zurück, die unter der Regie der Nord LB getroffen worden waren. So machten die Schiffskredite noch im Jahr 2008, mitten in der Finanzkrise, rund 38 Prozent aller „Forderungen an Kunden“ aus.
Für Arno Gottschalk, Finanzexperte der SPD-Fraktion in der Bremer Bürgerschaft, „ein klares Klumpenrisiko“, also eine Risikoballung. Schon damals hätte die Nord LB die Risiken „in größerem Umfang abschreiben“ müssen, meint er. Doch eine Abschreibung der Schiffskredite hätte schnell tiefrote Zahlen verursacht.
Offiziell sollte durch die vorsichtige Abschreibungspolitik die regionale Wirtschaft geschont werden. „Tatsächlich wurde aber auch das Kapital der Nord LB geschont“, sagt er studierte Wirtschaftswissenschaftler Gottschalk. Die Nord LB hatte bis 2012 selbst Probleme mit Schiffskrediten und besaß zudem zu wenig Eigenkapital.
Einer der Hauptakteure damals war Hartmut Möllring. Der CDU-Politiker und frühere Aufsichtsratsboss der Bremer Landesbank war bis 2013 niedersächsischer Finanzminister und bis vor Kurzem Wirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt.
Für Gottschalk ist klar: „Das Klumpenrisiko der Bremer Landesbank ist nur ein Teil der übergreifenden riskanten Schiffsfinanzierungen des Mutterkonzerns Nord LB.“ Auch später stand offensichtlich das Interesse des Mehrheitseigners im Vordergrund. Gottschalk: „Der Scherbenhaufen für das Land Bremen ist daher im Wesentlichen ein Kollateralschaden der Konzernpolitik der Nord LB.“
Dass die EZB jetzt zuschlug, mag mit dem Wunsch nach einer Konsolidierung der deutschen Landesbanken zusammenhängen. Diese waren eigentlich einmal für die dezentrale Förderung der regionalen Wirtschaft gedacht – wo sich die Bremer Landesbank bei Sozialwohnungen und der Energiewende durchaus noch engagiert.
Doch nicht allein Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble träumt von einer einzigen deutschen „Landesbank“. Größe ist Trumpf.
Um wenigstens die realwirtschaftlichen Interessen des Zwei-Städte-Landes Bremen, aber auch Niedersachsens zu wahren, schlägt Ökonom Hickel einen Tausch vor: Die Nord LB erhält die Landesbank-Anteile kostenlos und dafür gehen die zwei Dutzend Beteiligungen der Bremer Landesbank an das Land Bremen über.
Was mit den Beteiligungen geschehen soll, dazu hat man im niedersächsischen Finanzministerium freilich „noch gar keine Vorstellungen“, erklärt die Sprecherin von Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD). Dies sei Gegenstand der Verhandlungen der Träger der Bremer Landesbank – neben dem Land Bremen der Mehrheitseigentümer Nord LB und der Niedersächsische Sparkassen- und Giroverband.
Die Verhandlungen dürften bis zum Herbst andauern. Bis Ende des Jahres soll die Übernahme der Bremer Landesbank abgeschlossen sein.
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