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Britische Blätter für den Brexit

Presseschau Eine Mehrheit der englischen Zeitungen spricht sich für den EU-Ausstieg des Landes aus

von Ralf Sotscheck

Großbritanniens Medien werben überwiegend für den Brexit. Das Reuters-Institut für journalistische Studien hat an den beiden aufeinanderfolgenden Tagen nach der Bekanntgabe des Datums für das Referendum 928 Artikel aus neun überregionalen Zeitungen analysiert. 45 Prozent davon waren für den Brexit, nur 27 Prozent dagegen. Der Rest war neutral. Darüber hinaus wurden in den Texten fünfmal mehr Tory-Politiker als Labour-Politiker zitiert.

Am lautesten treten die Sun und der Daily Express für den Austritt aus der EU ein. Die Sun machte in ihrer unnachahmlichen Art vorige Woche mit einem Wortspiel auf: „BeLEAVE in Britain.“ Man solle am kommenden Donnerstag für „Leave“ stimmen, also für das Verlassen der EU, forderte das Blatt seine Leser auf – und das sind viele.

Meistverkauft

Mit 1,7 Millionen Exemplaren ist es nach wie vor die meistverkaufte britische Tageszeitung. Der Brexit werde Großbritannien wieder zur Souveränität und zur Kontrolle der Einwanderung verhelfen: „Wir müssen uns vom diktatorischen Brüssel befreien. Blieben wir drin, würde Großbritannien in wenigen Jahren von diesem von Deutschen dominierten Föderalstaat verschlungen.“ Der Daily Express von Richard Desmond, der seine Milliarden mit Schmuddelmagazinen gemacht hat und seitdem „Dirty Des“ heißt, tritt ebenfalls lautstark für den Brexit ein. Desmond hasst Mittelschichtler, weil sie seine Eltern schmähten, nachdem sein Vater erst das Gehör und dann sein Geschäft verloren hat. Inzwischen unterstützt Desmond die antieuropäische United Kingdom Independence Party (Ukip) mit Millionenspenden. „Sollten wir in der EU bleiben, versinken wir immer tiefer in dem politischen Treibsand, aus dem es kein Entkommen gibt“, schrieb das Blatt im Mai.

Auch die Daily Mail wirbt für den Brexit. Ihr Eigentümer, Jonathan Harmsworth, ist zwar für den Verbleib in der EU, anders als Medienmogul Rupert Murdoch, dem neben der Sun auch die Times gehört, mischt er sich nicht in redaktionelle Dinge ein. Die Times argumentiert etwas vorsichtiger, obwohl Chefredakteur John Witherow ebenso wie Murdoch höchst euroskeptisch ist. Doch 62 Prozent der Times-Leser sind gegen den Brexit, und da hält man sich lieber etwas zurück.

Auf der Seite der EU-Befürworter stehen der liberale Guar­dian, das Boulevardblatt Daily Mirror und die Financial Times. Lediglich der Daily Telegraph eiert ein wenig herum. Sein Chef-Kolumnist ist der frühere Londoner Bürgermeister Boris Johnson, ein bekanntes Gesicht der Brexit-Befürworter. Andererseits gewann die Zeitung Barack Obama zu seinem Aufruf für den Verbleib in der EU. Beide Seiten setzen bei ihrer Argumentation auf dieselben Schwerpunkte: Es geht um Wirtschaft, Unabhängigkeit, Migration, Vorgaben aus Brüssel und um Sicherheit, und zwar in dieser Reihenfolge. Allerdings sind die Argumente diametral entgegengesetzt. Warnen die EU-Befürworter zum Beispiel vor den ökonomischen Folgen des Brexit, malen die EU-Gegner die wirtschaftlichen Möglichkeiten nach dem Austritt in leuchtenden Farben. In Sachen Migration warnt die Sun vor Überfremdung, während die Financial Times die Ankunft neuer Arbeitskräfte begrüßt.

„BeLEAVE in Britain“

Schlagzeile der meistverkauften britischen Tageszeitung „The Sun“

Parteiisch

Seit das Datum für das Referendum feststeht, erscheinen in der britischen Presse im Schnitt 42 Artikel pro Tag, es ist schließlich die wichtigste Entscheidung seit Langem. Die Parteilichkeit der Presse geht in Großbritannien weiter als in den meisten westlichen Ländern. Die Blätter beziehen klare Positionen, aber sie haben nicht mehr den Einfluss, den sie früher hatten.

Dennoch dürften die Brexit-Gegner über die Sun beunruhigt sein, hatte das Blatt seit den siebziger Jahren fast immer auf den Sieger gesetzt. Aber wer weiß? Zwar deuteten die Umfragen lange auf einen Sieg der Brexit-Befürworter hin. Seit dem Attentat auf die britischen Labour-Politikerin Jo Cox haben die Gegner eines EU-Austritts Großbritanniens in den Umfragen aber wieder Boden gutgemacht.

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