heute in hamburg: „Selbstbewusstsein gestützt“
DISKRIMINIERUNG Wie wirksam ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gegen Ausgrenzung?
taz: Frau Weiß, hat das Antidiskriminierungsgesetz das Leben der Betroffenen verbessert?
Birte Weiß: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hat das Sprechen über Diskriminierung vereinfacht. Das heißt, Diskriminierung lässt sich thematisieren und mit der Forderung nach einem Recht auf Diskriminierungsfreiheit verbinden. Das erleichtert Interventionen.
Wie äußert sich Diskriminierung?
Das ist zunächst einmal die Erfahrung von Ungleichbehandlung. Die kann strukturell sein. Sie äußert sich häufig durch verwehrte Zugänge – zu Arbeit, zum Wohnen, zum Fitnessclub, zu Diskotheken – aber auch durch Bedrohung, Ausschluss, Ausgrenzung, Beleidigung. Es geht aber auch bis hin zu physischer Gewalt.
Welche Gruppen sind besondes betroffen?
Die Erfahrung zeigt, dass vor allem aufgrund von Ausgrenzung wegen des Alters geklagt wird. Klagen aufgrund von Diskriminierung wegen der Herkunft, wegen Rassismus oder der sexuellen Orientierung sind weitaus seltener.
Hat das Gleichbehandlungsgesetz die Betroffenen selbstbewusster gemacht?
Es stützt das Selbstbewusstsein. Das bedeutet aber nicht eins zu eins einen Abbau von Diskriminierung. Das Gesetz hat symbolische Wirkung, das ist für die Betroffenen wichtig. In der Rechtsdurchsetzung lässt das Gesetz zu wünschen übrig.
Versuchen die Betroffenen denn überhaupt, das neue Gesetz für sich in Anspruch zu nehmen?
Nur ein kleiner Teil, der die Beratung aufsucht, hat ein Interesse daran. Häufig ist das Interesse, zunächst über Gespräche, Beschwerden, Stellungnahmen für eine Verbesserung der Situation zu sorgen.
Verhalten sich die Institutionen anders, seitdem es das Gesetz gibt?
Das Thema wird ernster genommen. Sie können mit Institutionen anders über die Möglichkeiten der Veränderung sprechen. Wir können über Lösungsmöglichkeiten verhandeln.
Wie könnte das Gesetz denn aus Ihrer Sicht weiter verbessert werden?
In dem Gesetz fehlen viele Schutzbereiche. Es hat beispielsweise zu enge Fristen, es fehlt ein Verbandsklagerecht und es fehlt an Beratungsstellen, die den Betroffenen Unterstützung anbieten können.
Interview Gernot Knödler
Vortrag „Diskriminierungsschutz für Trans*menschen stärken“: 19 Uhr, Magnus-Hirschfeld-Zentrum, Borgweg 8
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