Der Basar ist eröffnet

Herkunftsstaaten Regierung bietet einen Kompromiss an, Kretschmann soll zum Ja tendieren. Grünen-Chef Özdemir glaubt aber dennoch nicht an schnelle Einigung

Nordafrikanische Geflüchtete als anonyme Masse – aber ist jeder von ihnen sicher? Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

von Ulrich Schulte

BERLIN taz | Die Grünen geben einer schnellen Einigung bei den sicheren Herkunftsstaaten keine Chance. „Ich gehe davon aus, dass es am Freitag zu keiner Einigung im Bundesrat kommt“, sagte Parteichef Cem Özdemir am Mittwoch der taz. Auch wichtige Grüne in den Ländern halten einen Kompromiss vor der Bundesratssitzung am Freitag für unwahrscheinlich. Die menschenrechtspolitischen Bedenken seien so grundlegend, dass ein Deal in letzter Minute nicht zu begründen sei, hieß es in mehreren grünen Landesverbänden.

Damit droht der Regierung eine Blamage. Am Freitag soll der Bundesrat über ihr Gesetz entscheiden, das Marokko, Tunesien und Algerien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Die Grünen sitzen in 10 von 16 Bundesländern in der Regierung. Für eine Mehrheit müssten drei große von Grünen mitregierte Länder zustimmen. Das ist sehr unwahrscheinlich, weil die meisten grünen Landesverbände das Gesetz ablehnen.

Mit Spannung wird erwartet, wie sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) entscheidet, der mit der CDU regiert. Die Nachrichtenagentur dpa meldete gestern, Kretschmanns Ja im Asylstreit sei wahrscheinlich. Grundlage sei ein Kompromiss­angebot der Regierung.

Kretschmanns Sprecher Rudi Hoogvliet bestätigte den Bericht auf taz-Anfrage nicht. „Es gilt: Das Kabinett hat freie Hand beschlossen. Der Ministerpräsident ist zuversichtlich, dass er sich mit Herrn Strobl einigen wird.“ Ähnlich äußerte sich ein Sprecher von Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU).

Mit einem Ja würde Kretschmann einen Koalitionsstreit in Stuttgart vermeiden – und andere Grüne gegen sich aufbringen. Eine Zustimmung der Baden-Württemberger würde aber nichts an der wahrscheinlichen Blockade im Bundesrat ändern. Die pragmatisch tickenden Hessen-Grünen hatten am Wochenende auf einem kleinen Parteitag beschlossen, das Gesetz abzulehnen. Dieser Beschluss lässt den Grünen in der dortigen Landesregierung wenig Spielraum für eine Einigung auf den letzten Metern.

Das Kanzleramt ließ die Verhandlungen mit den Grünen lange schleifen

Außerdem fehlte ja immer noch ein drittes von Grünen mitregiertes Bundesland, das zustimmt. Jenes ist aber – Stand gestern – nicht in Sicht.

Die Länder-Grünen, die zum Kompromiss bereit gewesen wären, ärgern sich über das plumpe Vor­gehen der Bundesregierung. „Die haben das vor die Wand fahren lassen“, hieß es in Baden-Württemberg. Das Bundeskanzleramt habe viel zu spät nach Kompromissen gesucht, schließlich sei lange bekannt gewesen, wie groß die Bedenken seien. Die Grünen wiederum, die das Gesetz für eine menschenrechtspolitische Katastrophe halten, triumphieren. Eine Landespolitikerin frohlockte: „Die Front für Nicht­zustimmung steht.“

Hinter den Kulissen lotet das Kanzleramt nun mit manchen Grünen Kompromisslinien aus. Nach taz-Informationen sind vor allem zwei Punkte im Gespräch: mehr Geld vom Bund, zum Beispiel für die Integration von Flüchtlingen und eine Sonderregelung für schutzwürdige Minderheiten in den Staaten, die für „sicher“ erklärt werden sollen. Letzteres hatte Kretschmann ins Spiel gebracht.