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US-Streit um Transgender-ToilettenKulturkampf um Keramik

Der Streit um die freie Toilettenwahl für Trans-Menschen in den USA spitzt sich zu. Nun klagen elf Bundesstaaten gegen eine Verordnung der Bundesregierung.

Der Toilettengang ist für mehrere Bundesstaaten ein „ein riesiges soziales Experiment“ Foto: dpa

Washington afp | Der seit Wochen tobende Streit um die Toilettenbenutzung durch Transgender in den USA hat eine neue Ebene erreicht: Elf Bundesstaaten haben die US-Regierung verklagt, weil sie Schulen angewiesen hat, Transgender die freie Wahl der Toilette zu geben. In der am Mittwoch vor einem Bezirksgericht in Texas eingereichten Klageschrift werfen die Staaten der Bundesregierung vor, Gesetze per Rechtsverordnung umschreiben zu wollen.

Transgender sind Menschen, deren geschlechtliche Identität nicht derjenigen entspricht, die ihnen bei Geburt zugewiesen wurde. Die US-Ministerien für Bildung und für Justiz hatten am 13. Mai in einem Brief an Schulen und Universitäten Richtlinien definiert, um für Transgender-Schüler im Einklang mit den bestehenden Gesetzen gegen Diskriminierung ein sicheres Umfeld zu schaffen.

Insbesondere wurden die Bildungseinrichtungen aufgefordert, Transgender zu erlauben, diejenige Toilette aufzusuchen, die ihrem empfundenen Geschlecht entspricht anstatt dem Geschlecht auf ihrer Geburtsurkunde. Schulen, die gegen die Anweisung verstoßen, müssen mit einer Klage rechnen oder mit der Kürzung bundesstaatlicher Gelder. Die US-Regierung beruft sich auf ein Gesetz aus dem Jahr 1972, nach dem Schulen die staatliche Unterstützung gestrichen wird, wenn sie Schüler wegen ihres Geschlechts diskriminieren.

In der im texanischen Wichita Falls eingereichten Klageschrift heißt es nun, die Bundesregierung wolle „Arbeitsplätze und Bildungsorte im ganzen Land zu Laboren eines riesigen sozialen Experiments machen“. Sie setze sich mit ihrer rechtlich nicht bindenden Anweisung über den demokratischen Prozess sowie über Maßnahmen zum Schutz von Kindern und der Privatsphäre hinweg. Die Anweisung habe „keine rechtliche Grundlage“.

Bürgerrechtler sprechen von „politischem Trick“

Die vom Bundesstaat Texas angeführte Klage richtet sich gegen die Regierung von US-Präsident Barack Obama sowie gegen mehrere Bundesbehörden und deren Leiter. Die Bundesstaaten Alabama, Arizona, Georgia, Louisiana, Maine, Oklahoma, Tennessee, Utah, West Virginia und Wisconsin haben sich der Klage angeschlossen. Bis auf Louisiana und West Virginia werden die klagenden Staaten von republikanischen Gouverneuren regiert. Zwei weitere republikanisch regierte Bundesstaaten, Mississippi und Kansas, haben angekündigt, die neuen Richtlinien zu ignorieren.

Die Bürgerrechtsorganisation ACLU erklärte, die Klageschrift sei ungültig und nichts weiter als ein „politischer Trick“. „Das Oberste Gericht hat klargestellt, dass man eine Behörde nicht verklagen kann, weil man mit ihren Richtlinien nicht einverstanden ist“, sagte James Esseks, Leiter des ACLU-Projekts für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender (LGBT).

Die Anweisung der US-Regierung erging vor dem Hintergrund eines erbitterten Streits um ein Gesetz in North Carolina, das Transgender die freie Toilettenwahl in staatlichen Einrichtungen verbietet. Wegen ihrer gegensätzlichen Auffassungen über das Gesetz haben sich das Justizministerium in Washington und der Gouverneur des südlichen Bundesstaats gegenseitig verklagt. Das US-Justizministerium sieht in den Regelungen einen Verstoß gegen die Bürgerrechte.

Der Toilettenstreit löste auch eine Welle von Protesten in North Carolina aus. So legte die Deutsche Bank ihre Pläne zur Schaffung von 250 neuen Arbeitsplätzen in dem Bundesstaat auf Eis. Der Online-Bezahldienst PayPal strich seine Pläne, in dem Staat ein neues Operationszentrum einzurichten. Bekannte Musiker wie Bryan Adams, Cyndi Lauper oder die Band Pearl Jam sagten Konzerte in dem Staat ab.

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5 Kommentare

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  • Ich glaube, wenn zu meiner Zeit ein Ministerium dafür gesorgt hätte, dass meine Schule von einem bestimmten Stichtag an allen Schülern die Benutzung derjenigen Toilette erlaubt, die ihrem empfundenen Geschlecht entspricht anstatt dem auf der Geburtsurkunde verzeichneten, wäre der Anteil der Transgender an der Schülerschaft kurzzeitig auf über 90% gestiegen. Gerade diejenigen SchülerInnen, die sich ihres Geschlechts besonders sicher waren, hätten auf Nachfrage urplötzlich eine starke, anders ausgerichtete Seite an sich selbst entdeckt. Aus reiner Neugierde. Nur, weil sie wissen wollten, wie es so zugeht auf dem Klo, das bis da hin für sie eine Tabuzone gewesen ist.

     

    Der Run hätte sich allerdings schon bald wieder gelegt, schätze ich. So unterschiedlich sehen Toiletten schließlich gar nicht aus. Es ist auch völlig schnuppe, ob man, in der Kabine hockend, von einer Mädchenclique oder von einer Jungsgang belagert wird. Und ob die KlobenutzerInnen im Stehen oder doch lieber im Sitzen pinkeln, ist auch kein Thema, mit dem monatelang Hofpausen zu füllen sind.

     

    US-Abgeordnete und -Bürgerrechtler (oder muss man -Innen sagen?) sehen das ganz offensichtlich etwas anders.

  • "Dann fühlten sich Transgender-Menschen durch die Einteilung in zwei Geschlechter diskriminiert..."

     

    Das ist aber nur eine kleine Gruppe unter den "Transgendern".

  • Da kämpfen zwei radikale Parteien einen Streit wie im Kindergarten aus. Vorher war es kein Problem, wenn sich jemand wie eine Frau / ein Mann fühlt und kleidet dann auch auf die entsprechende Toilette zu gehen.

    Dann fühlten sich Transgender-Menschen durch die Einteilung in zwei Geschlechter diskriminiert und forderten eine Sonderbehandlung. Die konservative Fraktion wiederum fühlt sich bedroht davon, dass es Menschen gibt, die nicht in ihr Schema passen und sich trotzdem wohl fühlen.

    Wegen diesen beiden kindischen Streitgruppen kommt es in den USA fast zur Staatskrise.

    Das Problem haben wir allerdings an vielen Stellen. Der Kampf gegen Diskriminierung wird überzogen. Es werden immer neue Diskriminierungen konstruiert, damit der Opferstatus gepflegt, Privilegien gerechtfertigt und man sich als etwas besseres fühlen kann. Leider gibt es da keine rationale Bewegung dagegen, die das einfach nur die Auswüchse reduziert ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten. Vielmehr gibt es Trump & Co, die alles zurückdrehen wollen und damit erst gerade wieder diese eigentlich längst überholte Opferrolle neu begründen.

  • Warum bauen die einfach extra Toiletten...

    • @HerrvonSinope:

      So eine Frage kann eigentlich nur jemand stellen, der nicht begriffen hat, worum es geht bei diesem Streit: Um die Demonstration von Zugehörigkeit nämlich, nicht um Indifferenz.