US-Streit um Transgender-Toiletten: Kulturkampf um Keramik
Der Streit um die freie Toilettenwahl für Trans-Menschen in den USA spitzt sich zu. Nun klagen elf Bundesstaaten gegen eine Verordnung der Bundesregierung.
Transgender sind Menschen, deren geschlechtliche Identität nicht derjenigen entspricht, die ihnen bei Geburt zugewiesen wurde. Die US-Ministerien für Bildung und für Justiz hatten am 13. Mai in einem Brief an Schulen und Universitäten Richtlinien definiert, um für Transgender-Schüler im Einklang mit den bestehenden Gesetzen gegen Diskriminierung ein sicheres Umfeld zu schaffen.
Insbesondere wurden die Bildungseinrichtungen aufgefordert, Transgender zu erlauben, diejenige Toilette aufzusuchen, die ihrem empfundenen Geschlecht entspricht anstatt dem Geschlecht auf ihrer Geburtsurkunde. Schulen, die gegen die Anweisung verstoßen, müssen mit einer Klage rechnen oder mit der Kürzung bundesstaatlicher Gelder. Die US-Regierung beruft sich auf ein Gesetz aus dem Jahr 1972, nach dem Schulen die staatliche Unterstützung gestrichen wird, wenn sie Schüler wegen ihres Geschlechts diskriminieren.
In der im texanischen Wichita Falls eingereichten Klageschrift heißt es nun, die Bundesregierung wolle „Arbeitsplätze und Bildungsorte im ganzen Land zu Laboren eines riesigen sozialen Experiments machen“. Sie setze sich mit ihrer rechtlich nicht bindenden Anweisung über den demokratischen Prozess sowie über Maßnahmen zum Schutz von Kindern und der Privatsphäre hinweg. Die Anweisung habe „keine rechtliche Grundlage“.
Bürgerrechtler sprechen von „politischem Trick“
Die vom Bundesstaat Texas angeführte Klage richtet sich gegen die Regierung von US-Präsident Barack Obama sowie gegen mehrere Bundesbehörden und deren Leiter. Die Bundesstaaten Alabama, Arizona, Georgia, Louisiana, Maine, Oklahoma, Tennessee, Utah, West Virginia und Wisconsin haben sich der Klage angeschlossen. Bis auf Louisiana und West Virginia werden die klagenden Staaten von republikanischen Gouverneuren regiert. Zwei weitere republikanisch regierte Bundesstaaten, Mississippi und Kansas, haben angekündigt, die neuen Richtlinien zu ignorieren.
Die Bürgerrechtsorganisation ACLU erklärte, die Klageschrift sei ungültig und nichts weiter als ein „politischer Trick“. „Das Oberste Gericht hat klargestellt, dass man eine Behörde nicht verklagen kann, weil man mit ihren Richtlinien nicht einverstanden ist“, sagte James Esseks, Leiter des ACLU-Projekts für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender (LGBT).
Die Anweisung der US-Regierung erging vor dem Hintergrund eines erbitterten Streits um ein Gesetz in North Carolina, das Transgender die freie Toilettenwahl in staatlichen Einrichtungen verbietet. Wegen ihrer gegensätzlichen Auffassungen über das Gesetz haben sich das Justizministerium in Washington und der Gouverneur des südlichen Bundesstaats gegenseitig verklagt. Das US-Justizministerium sieht in den Regelungen einen Verstoß gegen die Bürgerrechte.
Der Toilettenstreit löste auch eine Welle von Protesten in North Carolina aus. So legte die Deutsche Bank ihre Pläne zur Schaffung von 250 neuen Arbeitsplätzen in dem Bundesstaat auf Eis. Der Online-Bezahldienst PayPal strich seine Pläne, in dem Staat ein neues Operationszentrum einzurichten. Bekannte Musiker wie Bryan Adams, Cyndi Lauper oder die Band Pearl Jam sagten Konzerte in dem Staat ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch