: Auf der Flucht aus Europa
KINOWarum der Film über den österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig im Exil brillant ist – und was sich Regisseurin Maria Schrader dabei gedacht hat
Der Spielfilm „Vor der Morgenröte – Stefan Zweig in Amerika“, der heute in den deutschen Kinos anläuft, erzählt von den letzten Stationen im Leben des österreichischen Schriftstellers.
Zweig war ein Pazifist. Bis zum selbstgewählten Ende seines Lebens, 1942, in Brasilien, wo er seit 1940 Exil gefunden hatte.
Eine Heimat wurde ihm das Land nicht. Zu stark hing er noch an der Erinnerung an den europäischen Kontinent, den er 1934 zunächst über England verlassen hatte. Die Sicherheit, die ihm als Jude in Südamerika gewährt wurde, nagte dabei nur umso mehr an seinem Gewissen. Während er von seinem Fenster auf Palmen blickte, fanden andere in Europa den Tod.
In ihrem Film zeigt Regisseurin Maria Schrader, wie schwierig es für einen Künstler ist, seine Position gegenüber anderen zu verteidigen, wenn sich die Welt um ihn herum zum Schlechten zu wenden beginnt.
Position beziehen, das ist es, was man 1936 beim PEN-Kongress in Buenos Aires erwartet, wo Zweig in einer der ersten Filmszenen darum gebeten wird, seine Einschätzung zu Europa und dem Nationalsozialismus zu geben. Doch Zweig verweigert sich den erstaunten Journalisten und Kollegen. Sein Pazifismus reicht so weit, dass er jegliches politisches Engagement als Künstler ablehnt. Allein durch sein Werk will er ein gutes Beispiel geben. Der Titel seines Buchs „Sternstunden der Menschheit“ ist insofern programmatisch zu verstehen.
Zweig will mit den Mitteln der Kunst das Gute im Menschen verteidigen und sichtbar machen. Das ist keine Weltfremdheit, sondern ein Ethos, mit dem er sich unter den Exilautoren isoliert.
Dass es sich Zweig mit diesem Ethos nicht leicht gemacht hat, führt Schrader präzise vor. Der österreichische Schauspieler Josef Hader gibt seinem Stefan Zweig eine würdevolle Verzweiflung, die dieses Künstlerschicksal umso gegenwärtiger macht.
Österreich ist heute, wie der Rest Europas, durch eine entgegengesetzte Fluchtbewegung gekennzeichnet. Heute suchen Verfolgte hier Exil, statt von dort zu fliehen. Das Land, das an seine NS-Vergangenheit im Übrigen ungern erinnert wird, und Europa schotten sich jedoch weitgehend ab. Dieser Film hingegen lässt einen, ohne alle Vordergründigkeit, ins Antlitz eines Flüchtlings blicken. Und ihn als Menschen erkennen.
Gedreht wurde der Film in den jeweiligen Landessprachen an den Orten der Handlung. „Es gab am Anfang immer nur eine Reaktion: Das geht nicht“, erzählte Regisseurin Schrader der taz. Aber es hat hervorragend geklappt. Tim Caspar Boehme
▶Gesellschaft + Kultur
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