: Die Löcher im System
PFLEGEBETRUG Abkassiert: Patientenschützer fordern mehr Kontrollen
Es sind Fälle wie dieser, die Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz seit Jahren unterkommen. „Betrug in der Pflege ist nichts Neues“, sagt er. „Tatbeteiligte sind Pflegedienste, Ärzte, Apotheker, Sanitätshäuser oder sogar die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen.“ Es geht um gefälschte Abrechnungen, um Leistungen, die auf den Rechnungen erscheinen, aber nie ausgeführt werden, oder schlicht um Doppelanträge bei den verschiedensten Geldtöpfen.
Das System Pflege ist anfällig für Missbrauch. Für manche Leistungen ist die Krankenversicherung zuständig, für andere die Pflegeversicherung. Kriminelle nutzen die Schwachstellen aus. Viele Fehlabrechnungen passieren auch, weil nicht jeder Angehörige weiß, wer eigentlich zuständig ist. „An der Schnittstelle zwischen Pflegeversicherung und Krankenversicherung fehlen effektive Kontrollen“, sagt Brysch. Die müsse es geben, zum Schutz der Patienten, der Beitragszahler, auch zum Schutz anständiger Pflegedienste. Wie hoch der Schaden durch solche Straftaten tatsächlich ist, lässt sich nur schwer beziffern. Brysch erstattet jedes Jahr etwa sechs oder sieben Anzeigen. Dabei geht es meist um mehrere Tausend Euro.
Die Patientenschützer haben konkrete Ideen, wie Betrug verhindert werden kann. Dazu zählt etwa die Einführung einer einheitlichen Patientennummer. Sie soll die beiden Registrierungen jeweils bei Kranken- und Pflegekasse zusammenführen und so die Überprüfung von Leistungen erleichtern. Ähnlich einfach klingt die Forderung nach einer verbindlichen elektronischen Abrechnung in der Pflegeversicherung. Die ist bei der Krankenkasse längst vorgeschrieben. Da digitale Daten aus der Pflege häufig fehlen, fallen Missstände in vielen Fällen nicht auf. Zudem fordern sie mehr Kontrollen in der häuslichen Pflege, eine Meldepflicht für Patienten in Wohngemeinschaften und mehr Experten bei Polizei und Staatsanwaltschaft.
Für Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sind die Vorschläge nicht neu. Nach der jüngsten Aufdeckung von Betrugsfällen in Berlin hat er eine Prüfung der Kontrollmechanismen angekündigt. Auch bei der nächsten Gesundheitsministerkonferenz Ende Juni steht das Thema auf dem Plan.
Tanja Tricarico
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen