: Arbeiten nicht immer erwünscht
MIGRATION Wer Geflüchtete und Arbeitgeber zusammenbringen will, hat mit einigen Hindernissen zu kämpfen – nicht zuletzt mit der Bürokratie. Das zeigt zum Beispiel das Projekt „Work for Refugees“ der Paritäter
von Susanne Memarnia
Geflüchtete in Arbeit zu vermitteln ist ein mühsames Geschäft. Diese Erfahrung macht gerade der Paritätische mit seinem Projekt „Work for Refugees“. Am Donnerstag wurde Bilanz gezogen nach einem halben Jahr Vermittlungsbemühungen. Dabei befand zwar die Vorsitzende des Landesverbands Berlin, Barbara John, „das Angebot wird angenommen“ – doch die Zahlen sind ernüchternd. Rund 1.400 arbeitssuchende Geflüchtete haben sich auf der Onlineplattform registriert, dazu 150 Unternehmen, die Jobs zu vergeben haben. Doch nur 21 Arbeitsverhältnisse kamen bislang über die vier Mitarbeiter der Plattform zustande, weitere 54 Geflüchtete sind im Bewerbungsverfahren.
Im Vergleich zu anderen ist das nicht so schlecht. Arrivo etwa, ein Projekt der Senatsverwaltung für Arbeit und Integration, das Geflüchteten helfen soll, eine Ausbildung zu bekommen, hat mit seinem schon im Januar 2015 gestarteten Pilot „Übungswerkstätten im Handwerk“ erst 33 Ausbildungsverträge vermittelt. Dies ergibt sich aus der Antwort auf eine Anfrage der Abgeordneten Katrin Vogel (CDU) von Anfang April.
Es gibt viele Gründe, warum es nur schleppend läuft. So sei der Zeitaufwand für die Vermittler enorm, erklärte John. „Es müssen lange Interviews geführt werden mit den Bewerbern“, um Qualifikation, Sprachkenntnisse und gewünschte Arbeitsfelder zu klären. Manche Arbeitgeber nähmen wieder Abstand, wenn sie sehen, wie viel Betreuung ein Geflüchteter brauche. „Einige Flüchtlinge lehnen Beschäftigungen auch ab, wenn das Salär kaum über den staatlichen Transferleistungen liegt“, so John.
Und bisweilen steht die Bürokratie im Weg. Denn viele Geflüchtete, etwa Geduldete sowie Asylbewerber, die zwischen 4 und 15 Monate in Deutschland sind, haben nur eine nachrangige Arbeitserlaubnis. Im Paritäter-Projekt gilt das laut John etwa für die Hälfte. Bei ihnen muss erst die Arbeitsagentur prüfen, ob nicht ein EU-Bürger oder Deutscher den konkreten Job machen kann. Dieser Genehmigungsprozess könne vier bis sechs Wochen dauern, sagt Jürgen Werner von der Stiftung Zukunft Berlin, die „Work for Refugees“ finanziert. Sodass mancher Arbeitgeber wieder abspringe, weil es ihm zu lange dauert, ergänzt John.
Kommt das Okay von der Arbeitsagentur, muss die Ausländerbehörde (ALB) noch eine Arbeitserlaubnis erteilen. Auch an dieser Hürde kann der Traum vom Job scheitern. Die ALB, sagt John, schaue nämlich auf das Herkunftsland, also „ob die Anerkennungsquote hoch ist“. Wenn nicht, „geben sie die Arbeitserlaubnis nicht so gern, weil durch Arbeit der Aufenthalt verfestigt wird“, so die frühere Ausländerbeauftragte des Senats. Sprich: Jemanden, der Arbeit hat, kann man nicht mehr ganz so leicht abschieben.
Die Innenverwaltung, der die ALB untersteht, verneint diese Praxis: „Die Frage der Erteilung einer Arbeitserlaubnis hängt grundsätzlich nicht vom Herkunftsstaat ab, sondern im Wesentlichen von dem jeweiligen Status des Betroffenen und dem Erfordernis bzw. Ergebnis einer Vorrangprüfung“, erklärt ein Sprecher auf taz-Anfrage.
Aber auch andere beschweren sich über die ALB. So berichtet der Geschäftsführer der DW Gebäudereinigung GmbH, Daniel P. H. Worat, er versuche seit über einem Jahr vergeblich, einen Asylbewerber aus dem Kosovo einzustellen. Nach „Schikanen der Vorrangprüfung und Ermessensentscheidungen“ habe Anfang April die Ausländerbehörde die Aufenthaltsgestattung des Mannes „neu ausgestellt nach dem neuen Recht für Asylsuchende aus ‚sicheren‘ Herkunftsstaaten“. Dieses besagt, dass Menschen aus bestimmten Ländern, etwa dem Kosovo, gar nicht mehr arbeiten dürfen.
Für den Schützling von Worat gilt jedoch altes Asylrecht, da sein Asylantrag vor dem 31. August 2015 gestellt wurde. Auch die Senatsarbeitsverwaltung berichtet in der bereits erwähnten Anfrage von solchen Schwierigkeiten „für das Projekt Arrivo, aber auch darüber hinaus“.
Bleibt die Hoffnung auf die nächste Asylrechtsreform. Paritäter-Chefin John lobt, dass die Bundesregierung plane, die Nachrangigkeitsregel zu streichen und Leiharbeit zu erlauben. „Da haben wir schon viele Interessenten.“
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