: Buchungen gerade nicht möglich
Ferienwohnungen Am 1. Mai ist für Jakob Becker und seine Geschäftspartnerin offiziell Schluss: Dann müssen sie ihre Ferienwohnungen in Mitte dichtmachen. Ihn kostet diese Regelung 20.000 Euro, seine Kollegin den Job. Inoffiziell geht es deshalb noch ein wenig weiter
Von Antje Lang-Lendorff
Berlin liegt seinen Gästen zu Füßen. Ein glitzerndes Lichtermeer unter tiefblauem Himmel. Man erkennt die angestrahlte Museumsinsel, das Rote Rathaus. Und natürlich den obligatorischen Fernsehturm. „Hier bist du mittendrin in der Großstadt“, suggeriert das Bild dem Betrachter. „Hier kannst du was erleben!“
Tatsächlich befinden sich die zwei Ferienwohnungen, die im Internet mit diesem Postkarten-Panorama beworben werden, im Zentrum Ost-Berlins, in der Nähe des Hackeschen Marktes. Wer sie reservieren möchte, kommt allerdings nicht weit. „Booking currently closed by administrator“ – heißt es. Buchungen sind derzeit also nicht möglich.
Das ist kein Versehen. Am 1. Mai läuft für gemeldete Ferienwohnungen eine Übergangsfrist aus . Die Vermieter müssen den Betrieb einstellen, viele nehmen daher ihre Angebote aus dem Netz.
So wie Jakob Becker*. Auf einem stilvollen alten Herrenrad saust er um die Ecke und hält, leicht außer Puste, vor dem Appartementhaus in Mitte. Ein großer Mann in kariertem Hemd, die silbergrauen Haare trägt er seitlich gescheitelt. Er kommt gerade aus Wilmersdorf, wo er lebt und arbeitet. Für ihn sind die Ferienwohnungen nur ein Nebenjob, hauptberuflich ist er als Selbstständiger tätig.
Becker ist wütend. Auf die Politik. Auf das Zweckentfremdungsverbot (siehe Ratgeber auf Seite 45), das die Nutzung von Wohnraum für Ferienwohnungen untersagt. „Ich empfinde das als Berufsverbot. Und als Enteignung“, sagt Becker. Er selbst sei nicht auf die Einnahmen angewiesen, wohl aber seine Geschäftspartnerin.
„Nur wenige Minuten zu Fuß von Vatikanstadt und Petersdom entfernt“ sei die Ferienwohnung, verspricht die Präsentation im Internet. Und der Preis für vier Tage im Mai – in Rom Hochsaison – kann sich mit 100 Euro pro Nacht für zwei Personen sehen lassen, vor allem wenn man bedenkt, dass sich im Stadtviertel auch „Läden, Restaurants, Bars, Supermärkte, Mc Donald’s etc.“ befinden. Am Ende ist der Petersplatz dann doch etwa drei Kilometer weg, ein Fußweg von einer guten halben Stunde, und die Gäste steigen keineswegs in einem der Altstadtviertel, sondern in einem einigermaßen hässlichen Neubaugebiet ab. Doch im teuren Rom sind Ferienwohnungen und B&Bs allemal die günstigere Alternative zu Hotels. Und wer bei der Internetsuche genug Geduld aufbringt, kann auch in weit besseren Lagen fündig werden.
Offiziell zählt die Stadt 3.400 Ferienwohnungen, dazu noch einmal 1.800 B&Bs, doch zum Beispiel über Airbnb werden mehr als 18.000 Objekte in der Ewigen Stadt angeboten, mal gleich gegenüber dem Trevibrunnen, mal direkt hinter dem Kolosseum.
Gerade in der Krise, die Italien von 2008 an traf, wurde die Vermietung von Feriendomizilen für viele Römer zum neuen Job. Ein gespaltenes Verhältnis zeigt die Stadtverwaltung ihnen gegenüber: Einerseits ist der neue Markt auch ein sozialer Puffer, andererseits sind da die Hotelbetreiber, die die neue Konkurrenz bekämpfen – und die sich zum Beispiel über die städtische Vorschrift freuen, dass Ferienwohnungen jedes Jahr für einen Zeitraum von 100 Tagen nicht vermietet werden dürfen. Michael Braun
2011 mietete Becker gemeinsam mit einer Freundin die Appartements. Jeweils drei Zimmer mit Balkon auf rund 100 Quadratmeter. „Wir haben Wohnungen gesucht, die sonst keiner wollte“, erzählt Becker. Die S-Bahn-Trasse und die vielen Bürogebäude in der Nähe seien für dauerhafte Mieter nicht attraktiv. Für Touristen dagegen zähle vor allem die zentrale Lage. 1.500 Euro pro Monat koste die Warmmiete pro Wohnung, sagt Becker.
Gewerbe angemeldet
Die beiden machten das alles offiziell. Sie vermerkten im Mietvertrag, dass sie in der Wohnung an Gäste vermieten, meldeten ein Gewerbe an; kauften Möbel, Waschmaschinen, Kühlschränke, Mikrowellengeräte. Insgesamt habe er rund 50.000 Euro investiert, sagt Becker. Er war der Geldgeber, seine Partnerin steckte dafür mehr Zeit in die Verwaltung und in die Betreuung der Gäste.
Becker schließt die Wohnungstür auf. Draußen rollen minütlich die Züge vorbei, drinnen ist es dank schallgeschützter Fenster still. Die Wohnung wirkt etwas kleiner als im Netz. Raufasertapete, roter Teppich, helles Sofa. Das Parkett ist von den vielen Füßen, die hier ein- und ausgingen, schon etwas abgelaufen, ansonsten sieht alles adrett aus.
Es ist nicht billig, bei Becker und seiner Kollegin Ferien zu machen. 220 bis 240 Euro nehmen sie pro Nacht. „Wir wollen keine Partytouristen“, sagt Becker. Vor allem internationale Gäste zahlen diese Preise. Familien und Ehepaare aus Skandinavien, Frankreich, Spanien, Italien. Als Goldgrube will Becker die Wohnungen trotzdem nicht verstanden wissen. Seine Partnerin habe dadurch ein Einkommen von monatlich 1.200 Euro netto, sagt Becker. Er selbst bekomme nach und nach sein investiertes Geld zurück und zusätzlich ein paar hundert Euro im Monat. Die Putzfrau erhalte rund 500 Euro im Monat.
Seit 2011, als Becker und seine Kollegin mit den Ferienwohnungen anfingen, hat sich auf dem Berliner Wohnungsmarkt einiges getan. Die Angebotsmieten in Mitte lagen damals noch bei im Schnitt sieben Euro pro Quadratmeter kalt. Drei Jahre später mussten Wohnungssuchende im Schnitt schon mit zehn Euro rechnen.
Die rasanten Mietsteigerungen und die damit einhergehende Verdrängung machten auch dem Senat klar, dass knapper Wohnraum ein Thema mit politischer Sprengkraft ist. Im Frühjahr 2014 beschloss er das sogenannte Zweckentfremdungsverbot. Ferienwohnungsbetreiber, die sich innerhalb von drei Monaten beim Amt meldeten, würden noch zwei Jahre weitermachen und danach eine Ausnahmegenehmigung beantragen können, so die Regelung. Alle anderen gelten seitdem als illegal.
Keine schwarzen Schafe
Becker und seine Kollegin waren zunächst optimistisch. Die schwarzen Schafe auf dem Markt, das waren doch die anderen, die keine Steuern zahlten. Die 50 bis 60 Wohnungen anmieteten und Gäste darin unterbrachten, ohne ein Gewerbe anzumelden. Die beiden überlegten nicht lange. „Wir dachten, dass wir, wenn wir uns ehrlich melden, diejenigen sein werden, die weitermachen können“, erzählt er.
Becker hatte nicht mit einem wie Stephan von Dassel gerechnet. Der Grünen-Politiker ist als Stadtrat für Soziales und Bürgerdienste im Bezirk Mitte für die Durchsetzung des Ferienwohnungsverbots zuständig. Dabei hat er sich als sehr engagiert profiliert. Sechs seiner Leute kümmern sich zurzeit um das Thema Zweckentfremdung, ab Sommer sollen zehn Kontrolleure durch die Straßen ziehen.
Von Dassel jedenfalls hat Beckers Hoffnungen, er und seine Geschäftspartnerin würden eine Ausnahmegenehmigung erhalten, inzwischen zerschlagen. „Wir prüfen jeden Einzelfall“, sagt der Stadtrat. Das Bezirksamt könne eine Ausnahme vom Verbot machen, wenn ein öffentliches Interesse nachgewiesen werde. Auch solle niemand durch das Verbot in eine existenzielle Notlage geraten. Dafür reiche es aber nicht, wenn jemand Probleme habe, seinen Kredit abzubezahlen, sagt von Dassel „Da muss man eine andere Lösung finden. Das ist dann eben so.“ Seine Prognose: Nur fünf Prozent der Fälle erhalten tatsächlich eine Ausnahmegenehmigung.
„Da läuft was schief“
Fragt man von Dassel, warum er sich so für das Verbot einsetzt, dann erzählt er von Familien, die in Mitte im Obdachlosenasyl auftauchten, für die der Bezirk keine Wohnung mehr finde. Während ganze Häuser von Touristen bevölkert würden. „Da läuft etwas schief.“ Er wolle auch nicht warten, bis die Gerichte geprüft haben, ob und in welchen Fällen das Gesetz Bestand habe. „Das kann zwei bis drei Jahre dauern. Unser Ziel ist es, der Stadt möglichst schnell Wohnraum zur Verfügung zu stellen.“ Von Dassel ist sich sicher: „Wären wir nicht eingeschritten, hätten wir bald 100.000 Ferienwohnungen in der Stadt.“
Becker überzeugt so etwas nicht. Die Politik habe viel zu lange nichts gegen die steigenden Mieten getan, sagt er und redet sich in Rage. „Der Senat will mit dem Ferienwohnungsverbot nur von seinen eigenen Versäumnissen ablenken.“
Paris habe „ein zwiespältiges Verhältnis zu Airbnb“, sagte Vizebürgermeister Bruno Julliard nach einem Treffen mit dem Mitbegründer dieses US-Internetkonzerns, Brian Chesky. Einerseits ist man in der französischen Hauptstadt irgendwie stolz darauf, dass Paris bei Airbnb in Sachen Angebot von Ferienwohnungen und Besuchen weltweit vor London oder New York an erster Stelle liegt. Andererseits ist das nicht überraschend, denn Paris ist mit jährlich 48 Millionen Touristen weiterhin die meistbesuchte Stadt der Welt. Gegenwärtig sind rund 60.000 Pariser Wohnungen im Katalog des größten internationalen Anbieters gelistet und angeblich 200.000 in ganz Frankreich. Auf kleinere Konkurrenten wie Housetrip, Cybevasion oder Bedycasa entfallen nochmals mehrere tausend Annoncen in Paris.
Die Hoteliers beklagen sich über diese neue „unloyale“ Konkurrenz, die in diesem rasch wachsenden Ausmaß vorher nicht existiert hatte. Die Behörden versuchen das mit Reglementierungen in den Griff zu bekommen, um vor allem (dank Mitarbeit von Airbnb) die Kurtaxen zu erheben sowie Einkommensteuern zu kassieren.
Laut Presseberichten soll es immer mehr Eigentümer geben, die – als Haupterwerb – gleich mehrere Wohnungen dank der Internetvermittlung ausschließlich mit Touristen belegen und diese Einkünfte nicht immer deklarieren.
Der Direktor von Airbnb France, Nicolas Ferrari, versichert demgegenüber, das Ferienmietgeschäft seines Unternehmens schaffe in Frankreich 13.300 Arbeitsplätze und jährliche Einnahmen von 2,5 Milliarden Euro. Rudolf Balmer
Ihm bleibt nichts anderes übrig als aufzuhören. „Der Ehrliche ist der Dumme“, lautet seine Bilanz heute. Weil sie ihre Appartements vor zwei Jahren gemeldet hätten, seien sie nun die Ersten, die dicht machen müssten. „Bei den Illegalen muss das Amt erst mal nachweisen, dass es sich um Ferienwohnungen handelt.“ Bei ihnen reicht ein einfacher Brief. Vermieten sie trotzdem weiter, droht eine Geldstrafe von bis zu 100.000 Euro.
Sie könnten eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Beckers Partnerin ist bald 50 und alleinerziehend. Sie hat zwei Kinder, ein anderer Job ist nicht in Sicht. Aber Becker winkt ab. Er glaube nicht, dass das von Dassel interessiere. Außerdem seien die Anwaltskosten zu hoch. Also stellen sie den Betrieb offiziell zum 1. Mai ein. Sie ziehen sich aus allen Onlineportalen zurück.
Inoffiziell geht es noch drei Monate weiter. „Wir wollen die Saison noch mitnehmen“, sagt Becker. Es kämen Gäste, die für den Sommer bereits gebucht hätten. Deshalb soll auch sein echter Name nicht in der Zeitung auftauchen. Sonst könnte das Bezirksamt ja sofort auf der Matte stehen.
In Barcelona kommt es seit Jahren immer wieder zu Demonstrationen gegen die Zunahme von Ferienwohnungen sowie den Neubau von Hotels. Allen voran protestieren die Bewohner der Barceloneta, des alten Arbeiterviertels am Hafen. Dort fallen Wohnungen in Hände von Investoren, die sie Besuchern auf Internetplattformen anbieten. Die Folge: Kaufpreise und Mieten steigen. Ein Verdrängungskampf hat begonnen.
Ada Colau, neue Bürgermeisterin und ehemalige Aktivistin gegen Zwangsräumungen von Wohnungen, die seit Mai 2015 im Amt ist, greift ein. Sie hat einen Stopp der Lizenzvergabe für neue Ferienappartements und Hotels verhängt, will Plattformen wie AirBnB dazu zwingen, dass dort nur Wohnungen und Zimmer aufgeführt werden, die angemeldet sind, und Steuern sowie die lokale Übernachtungsgebühr abzuführen. Der Lizenzstopp gilt, bis der neue Tourismusrahmenplan verabschiedet wird. Der erste Entwurf sieht vor, im Stadtzentrum – wo sich 50 Prozent der Zimmer und Wohnungen für Touristen befinden – auch weiterhin keine Lizenzen zu vergeben. Schließt ein Hotel, eine Pension oder eine Privatunterkunft, wird die Lizenz gestrichen: „Kontrollierter Rückbau“ heißt das. In einem Ring rund um die Innenstadt werden ebenfalls keine neuen Unterkünfte genehmigt. Aber wenn eine schließt, wird diese Lizenz wieder vergeben. In den restlichen Bezirken soll der Tourismus „nachhaltig“ ausgebaut werden. 4.025 neue Übernachtungsplätze sollen genehmigt werden.
Barcelona zählte 2015 rund 9 Millionen Besucher. Etwa 120.000 Menschen leben von der Branche. Reiner Wandler
Zu Ende August haben Becker und seine Partnerin die Wohnungen dann gekündigt. Das Mobiliar wollen sie verkaufen. „Aber was kriegt man schon für einen drei Jahre alten Fernseher?“ fragt Becker. Die 50.000 Euro an Investitionen habe er nur zum Teil wieder raus. „Mich wird das Ferienwohnungsverbot 20.000 Euro kosten, meine Partnerin ihren Arbeitsplatz. Für mich ist es ärgerlich. Für sie existenziell.“
Beim Rausgehen hebt Becker noch eine Windel auf, die Gäste mit Baby vor der Wohnungstür haben liegen lassen. Mit spitzen Fingern trägt er sie in den Müll. Noch fühlt er sich zuständig, auch für so etwas.
In ein paar Monaten werden andere, dauerhafte Mieter in die Wohnungen in Mitte einziehen. Trotz der vielen Büros in der Nachbarschaft, trotz des S-Bahn-Lärms. Für voraussichtlich 1.500 Euro warm.
*Name geändert
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