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Klappt in Sekundenschnelle

Kompakt Fahrräder falten geht ganz einfach und erleichtert die Multimodalität ungemein. Das weiß nicht nur der Fahrradhändler, sondern möglicherweise auch das Zugbegleitpersonal. So spart man im Faltfall das Fahrradticket und kann sogar den ICE nutzen

von Helmut Dachale

Es gibt Menschen, denen ist die korrekte Wortwahl ziemlich egal. So der Frau, die im Hamburger Hauptbahnhof aus einem ICE steigt. Sagt sie doch als erstes: „Gut, dass ich dieses Klapprad habe. Mit einem richtigen hätten sie mich nicht mitgenommen.“ Ein schneller Blick auf das Ding, das sie noch auf dem Bahnsteig in ein respektables Fortbewegungsmittel verwandelt: Neueres Modell, eindeutig. Ist bestimmt nicht als Klapprad verkauft worden. Faltrad! Auf diese Bezeichnung legen Hersteller und Händler sehr viel Wert.

Was aber stimmt: Auch im Fernverkehr nehmen etliche Züge zwar „richtige“ Räder mit – im ICE allerdings müssen diese immer noch draußen bleiben. Es sei denn, das Radl gehört zur Familie der Falträder, kann also mit wenigen Handgriffen komprimiert werden. Dann geht es als kostenloses Handgepäck durch, sogar „unverpackt“, heißt es auf der DB-Website (sofern solche Räder „unter bzw. über dem Sitz sicher verstaut werden können“). Bei anderen Zügen spart man im Faltfall immerhin das Fahrradticket.

Die problemlose Integration in den öffentlichen Verkehr ist mittlerweile das Alleinstellungsmerkmal der Falträder, was von kommunalen Verkehrsbetrieben und regionalen Verkehrsverbünden nicht nur propagiert, sondern auch praktisch unterstützt wird. Meistens mit dem Hinweis, dass so ein Falter immer und überall mitgenommen werden könne, in Stadtbussen, U- oder S-Bahnen. Anders als das unfaltbare Bike, das vielerorts Sperrzeiten unterliegt. Die Hamburger Verkehrsverbund GmbH (HVV) preist das Faltrad insofern als „Immer-dabei-Rad“ an und ist eine Kooperation mit dem ADFC und dem Hersteller Tern eingegangen. Ergebnis: Autorisierte Fachhändler bieten ein Tern-Modell zu einem reduzierten Preis an. Eine Zusammenarbeit, die auch anderswo funktioniert.

In Münster hat man sich für ein Abo-Rad entschieden. „Für monatlich 9,99 Euro stellen wir unseren Kunden ein Faltrad zur Verfügung, das sie im gefalteten Zustand kostenlos in unseren öffentlichen Verkehrsmitteln mitnehmen können“, erklärt Florian Adler, Pressechef der Stadtwerke Münster GmbH. Gut, Sperrzeiten kennt man im Münsteraner ÖPNV ohnehin nicht, fügt er hinzu, aber die Mitnahme eines Faltrades sei auch in seiner Stadt praktikabler als die eines anderen. Und damit diene das Abo-Faltrad in besonderem Maße dem „multimodalen Verkehr“, womit Adler die effektive Verknüpfung von ÖPNV und Fahrrad meint. Allerdings ist das Münsteraner Faltrad – ebenfalls von Tern – mindestens für zwölf Monate zu abonnieren und steht in dieser Form tatsächlich nur Kunden zur Verfügung: Ein Verkehrsabo und ein Energievertrag mit den Stadtwerken sind Voraussetzung.

Dennoch lässt sich ahnen, warum Hersteller und Händler mit dem Image der alten Klappräder nichts mehr zu tun haben wollen. Die waren vor allem fürs Auto gedacht. Wenn wir schon nicht die rasante Motorisierung aufhalten können, meinte in den 60er Jahren die darbende Fahrradindustrie, dann liefern wir wenigstens ein Zubehörteil für den Kofferraum. Für die kleine Spazierfahrt zwischendurch. Die jedoch selten stattfand. Schon das Auseinanderklappen des Klapprades soll schwierig gewesen sein.

Heutige Hersteller wie Tern oder Riese & Müller versprechen Falt- und Entfaltungszeiten, die sich in Sekunden messen lassen. Mit Gelenken, die den Rahmen klapper- und flatterfrei machen. Und die Komponenten? Nicht alle Minis, aber immer mehr haben das, was man an den Großen so schätzt: hydraulische Bremsen, Nabendynamo, Pannenschutzreifen, hochrangige Ketten- oder Nabenschaltungen. Das neue „Birdy rohloff“ etwa beschleunigt mit Hilfe der berühmten 14-Gang-Nabenschaltung und ist zudem gefedert. Sogar die E-Bike-Version steht zur Verfügung: Tern hat seinem „eLink“ einen 50 Watt starken Mittelmotor spendiert. Die kleinen 20-Zoll-Laufräder sind zwar Trumpf, doch auch 24- bis 28-Zoller gibt es. Aber können die Faltbaren in puncto Fahreigenschaften und Stabilität mit den konventionellen „Full Size“-Rädern mithalten?

Durchaus, behauptet Wolfgang A. Leidigkeit. „Dank moderner Technik können mit vielen Falträdern Tagesausflüge und sogar Fahrradreisen unternommen werden.“ Der freie Journalist ist Faltradfan. Was an seinen eigenen Erfahrungen liege, meint er. Sein in Fachkreisen gern zitierter Selbstversuch fand in den 90er-Jahren in den Dolomiten statt. Um zu testen, ob ein Faltrad mehr als nur alltagstauglich ist, bezwang er unter anderem den Passo Pordoi mit Passhöhe von 2.239 Metern – auf einem Brompton-Winzling mit fünf Gängen.

Von 16-Zoll-Reifen, wie sie die englische Marke Brompton verbaut, rät Leidigkeit keinesfalls ab. Wer aber größere Laufruhe haben möchte, sollte lieber zur 20er-Größe greifen. Und unbedingt die Modelle bevorzugen, die jeder halbwegs Geübte in höchstens 20 Sekunden fahrbereit vor sich stehen hat oder gefaltet davontragen kann.

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