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Ermittler machen Ernst

Rechter Terror Im sächsischen Freital werden fünf Neonazis verhaftet – im Auftrag der Bundesanwaltschaft. Die wirft ihnen wegen Attacken auf Asylunterkünfte rechten Terrorismus und versuchten Mord vor

von Konrad Litschko

BERLIN taz | Die 200 Polizisten, darunter auch GSG9-Spezialeinheiten, kamen im Morgengrauen nach Freital. Wenig später klickten Handschellen: Die Bundesanwaltschaft ließ am Dienstag früh vier Männer und eine Frau in der sächsischen Kleinstadt festnehmen. Ihnen wird vorgeworfen, sich zu einer rechtsterroristischen Gruppe zusammengeschlossen zu haben.

„Ziel der Vereinigung war es, Sprengstoffanschläge auf Asylbewerberunterkünfte sowie Wohnprojekte von politisch Andersdenkenden zu begehen“, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft. Hinter der Gruppe soll eine frühere, selbst ernannte „Bürgerwehr“ aus Freital stecken. Schon länger hatten die Ermittler die jetzt Festgenommenen im Visier.

Bereits im November 2015 waren drei Männer verhaftet worden. Ihnen und den nun Festgenommenen, 18 bis 39 Jahre alt, werden zwei Sprengstoffanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Freital und ein Anschlag auf das linke Wohnprojekt „Mangelwirtschaft“ in Dresden vorgeworfen. In Dresden sollen die Täter ihre Sprengsätze aus illegaler Pyrotechnik gezielt auf erleuchtete Fenster geworfen haben, einer explodierte in einer Küche. In Freital erlitt ein Flüchtling mehrere Schnittwunden durch Glassplitter einer Fensterscheibe.

Die taz hatte jüngst rekonstruiert, wie sich die Gewalt in Freital über Monate hochschaukelte – und die Ermittler dies nicht verhinderten (www.taz.de/Freital). Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden ermittelte anfangs nur wegen Sprengstoffverstößen, wollte von Terrorismus nicht explizit sprechen. Vor einer Woche dann übernahm die Bundesanwaltschaft den Fall – und greift nun durch. Erst zum zweiten Mal nach dem NSU ermittelt sie wegen Rechtsterrorismus. Die andere Gruppe, die Oldschool Society, steht nächste Woche in München vor Gericht.

Den Freitalern wirft die Bundesanwaltschaft vor, sich spätestens im Juli 2015 als Terrorzelle zusammengetan zu haben. Rädelsführer seien der 27-jährige Busfahrer Timo S. und sein Bekannter Patrick F., 24 Jahre. S., der seit Jahren in der rechtsextremen Szene aktiv ist, hatte sich zuletzt zu den Vorwürfen eingelassen. Womöglich gab das die entscheidenden Hinweise für die Bundesanwaltschaft. Schon länger hatte Generalbundesanwalt Peter Frank angekündigt, ein „Gegenfanal“ zur Gewalt gegen Flüchtlinge zu setzen, wenn dies nötig werde.

Den Freitalern wirft seine Behörde nun auch versuchten Mord vor. Insgesamt beschlagnahmte die Polizei illegale Pyrotechnik in dreistelliger Zahl. Ob ihr weitere Anschläge zugerechnet werden können, werde noch ermittelt, teilte die Bundesanwaltschaft mit. So gab es auch Anschläge auf ein Linken-Büro und das Auto eines Linken-Stadtrats.

Die Linke warf den Ermittlern vor, die Lage anfangs unter- schätzt zu haben

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach von einem „entscheidenden Schlag gegen eine regionale rechtsterroristische Struktur“. Durch den Zugriff seien weitere mögliche Anschläge verhindert worden. „Dies zeigt, dass der Staat (…) frühzeitig gegen rechtsterroristische Strukturen und Straftäter vorgeht.“

Die Linke warf den Ermittlern dagegen vor, die Lage anfangs „völlig unterschätzt“ zu haben. Nun müsse der „Ermittlungsdruck auch andernorts erhöht werden“, sagte die Innenexpertin Martina Renner. Die Aufklärungsquote bei Angriffen gegen Asylunterkünfte sei „dramatisch gering“.

Freitals Bürgermeister Uwe Rumberg (CDU) nannte die Razzien „sehr positiv“: „In unserer Stadt ist kein Platz für extremistische Straftäter.“ Vor wenigen Wochen klang Rumberg noch anders. Da hatte er behauptet, es sei ein „Klischee“, dass es in seiner Stadt eine „nennenswerte Neonazi-Szene“ gebe.

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