: Polizist entlastet Besetzer
Verhandlung Im Prozess um die Besetzung der Breite Straße sagt Zeuge aus: Beamte nicht gefährdet
Marco N., Bereitschaftspolizist
Die Aussage von Bereitschaftspolizist Marco N. war so eindeutig, dass die Verteidigung im Verfahren um die Hausbesetzung der Breite Straße 114 bis 116 nicht eine einzige Nachfrage hatte. Der Polizist aus dem technischen Zug der vierten Hundertschaft der Bereitschaftspolizei war am 26. August 2014 für die „Gefahrenanalyse“ vor Ort zuständig. Er sollte beurteilen, ob es für seine KollegInnen gefährlich war, die Tür zu dem während der sogenannten „Squatting Days“ von rund 30 Personen besetzten Gebäude aufzubrechen. Seine Einschätzung: Nein.
Dabei war die Polizei bei dem Versuch das Haus zu stürmen, massiv mit Farbe und Böllern beworfen worden. Auch schwere Gegenstände wie eine Tür, zwei Waschbecken und eine Nachtspeicherheizung flogen aus den Fenstern, um die Polizei auf Distanz zu halten. Deshalb steht laut Anklage neben Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte auch bei den fünf Angeklagten der Vorwurf des versuchten Totschlags im Raum.
Marco N. war vor Ort zu dem Ergebnis gelangt, dass sein dreiköpfiger Kettensägetrupp und vier schützende „Schildhalter“ die Haustür trotzdem aufbrechen können. „Durch die großen Teile habe ich keine Gefährdung gesehen“, sagte N. Die schweren Gegenständen wären ein Stück links vom Eingang von oben aus dem Haus fallengelassen worden, so dass sie seitlich in ein bis zwei Metern Entfernung neben seinen Leuten aufgeschlagen seien. „Das habe ich als relativ ungefährlich eingeschätzt“, sagte N.
Einmal hätte der Säge-Trupp die Arbeiten unterbrechen müssen, da Feuerlöscher von oben auf sie entleert worden seien, so dass seine Leute keine Luft mehr bekommen hätten. Getroffen worden seien sie nur von Farbe, die von oben aus Eimern auf sie gegossen worden sei. „Das ist aber keine Verletzung, sondern nur bunt“, sagte N.
„Das hört sich so an, als hätten die Besetzer gar nicht die Absicht gehabt, Polizisten mit schweren Gegenständen zu treffen“, resümiert der Vorsitzende Richter Georg Halbach und zitiert aus Marco N.s polizeilicher Vernehmung vom September 2014, in der er zu Protokoll gegeben hatte: „Eine direkte Gefährdung durch die schweren Gegenstände war nahezu ausgeschlossen.“ Für die Verteidigung ist N. somit ein wichtiger Zeuge, um den Vorwurf des versuchten Totschlags zu entkräften.
In Zusammenhang mit der Besetzung kam es in der vergangenen Woche zudem zu einer Hausdurchsuchung: Das mobile Einsatzkommando hatte frühmorgens mit Maschinenpistolen im Anschlag die Wohngemeinschaft von Niels K. gestürmt. Auch gegen K. wurde ermittelt, da sein Pass im besetzten Haus gefunden worden war.
Das Verfahren war von der Staatsanwaltschaft abgetrennt und angeblich ruhen gelassen worden – was offenbar nicht stimmt. Anwältin Britta Eder beantragte, den laufenden Prozess auszusetzen, bis die Verteidigung über die Ermittlungsergebnisse im Parallelverfahren Niels K. Kenntnis bekommen hat. KAI VON APPEN
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