: Jedes Böhnchen gibt ein Tönchen
Erbsen, Bohnen, Linsen und Co. Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2016 zum „Internationalen Jahr der Hülsenfrüchte“ erklärt
Acker-, Kidney- und Limabohnen, Teller- und Belugalinsen, Erbsen, Kichererbsen und Lupinen – Hülsenfrüchte gehören zu den artenreichsten Pflanzenfamilien. Laut Deutscher Agrarforschungsallianz gibt es weltweit fast 20.000 Kultur- und Wildarten. Die Hülsen enthalten zwischen einem und zwölf Körner oder Samen variabler Größe, Form und Farbe.
Slow Food Deutschland macht sich vor allem für hiesige Sorten stark: die Alblinse aus Baden-Württemberg, die NRW-Bohnensorten Ahrtaler Köksje und Paas Lintorfer Frühe sowie die Kesselheimer Zuckererbse aus Rheinland-Pfalz. (ks)
von Kristina Simons
„Es gibt Gerüchte, dass Hülsenfrüchte – in Mengen genommen – nicht gut bekommen. Das macht ja nichts, ich finde das fein, warum soll man nicht auch mal ein Blähboy sein.“ So dichtete einst treffend Heinz Erhardt. Grund für die Darmwinde sind schwer verdauliche Mehrfachzucker, doch Abhilfe schaffen zum Beispiel gutes Waschen und Überbrühen sowie Gewürze wie Kreuzkümmel, Kurkuma, Koriander oder Bohnenkraut. Die Vereinten Nationen haben 2016 zum „Internationalen Jahr der Hülsenfrüchte“ erklärt. Denn Hülsenfrüchte (Leguminosen) sind nicht nur gesund – sie sollen Übergewicht, Diabetes, Herzerkrankungen und Krebs vorbeugen. Erbsen, Bohnen, Linsen und Co. leisten auch einen wesentlichen Beitrag für die weltweite Ernährung und eine nachhaltige Landwirtschaft, denn sie gedeihen auch auf kleiner Fläche und kargen Böden.
„Hülsenfrüchte sind wichtige Feldfrüchte für die Ernährungssicherheit weiter Teile der Bevölkerung, besonders in Lateinamerika, Afrika und Asien, wo sie Bestandteil traditioneller Ernährungsweisen sind und häufig von Kleinbauern angebaut werden“, sagte José Graziano da Silva, Generaldirektor der Welternährungsorganisation (FAO), bei der offiziellen Veranstaltung zu Eröffnung des UN-Jahres im November vergangenen Jahres. Die Landwirte erzielen für Hülsenfrüchte nach Angaben der FAO zwei- bis dreimal höhere Preise als für Getreide, sie bieten damit einen Weg aus der Armut. Pflanzliches Eiweiß ist zudem deutlich günstiger als tierisches, die Proteinzufuhr über Milch kostet beispielsweise fünfmal mehr als eine auf Hülsenfrüchten basierende. Leguminosen können die Ernährung deshalb gerade in ärmeren Ländern deutlich verbessern. Ein weiterer Vorteil: Die Pflanzen bringen ihren eigenen Dünger gleich mit. Denn sie binden Stickstoff in die Erde zurück und sorgen so für einen gesunden, fruchtbaren Boden. Damit reduzieren sie zugleich die globale Abhängigkeit von Mineraldünger – was wiederum den Ausstoß von Treibhausgasen verringert. Werden sie als Bodendecker oder in Mischkultur angebaut, verringern Leguminosen außerdem die Erosion des Bodens. „Das internationale Jahr der Hülsenfrüchte erinnert uns an die Bedeutung der Vielfalt für eine Ernährung, die gut und gesund für uns persönlich, aber auch für unseren Planeten ist“, konstatiert Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland.
Hierzulande galten Erbsen, Bohnen und Linsen lange als Arme-Leute-Essen, Fleisch hingegen als Statussymbol. Heute, wo immer mehr Menschen auf Fleisch verzichten oder zumindest ihren Konsum reduzieren, sind Hülsenfrüchte wegen ihres hohen Gehalts vor allem an hochwertigem Eiweiß, außerdem an Aminosäuren, Vitaminen und anderen Mikronährstoffen auch in unseren Breitengraden gefragter. Laut FAO enthalten Hülsenfrüchte doppelt viel Protein wie Weizen und dreimal mehr als Reis. In vielen Ländern der Welt, in denen traditionell wenig Fleisch gegessen werde, seien Hülsenfrüchte deshalb eine sehr wichtige Proteinquelle, so Wolfgang Vogel, Vorsitzender der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UFOP). „Im Hinblick auf die Notwendigkeit zur fleischreduzierten Kost gewinnen Hülsenfrüchte als alternative Eiweißlieferanten wieder zunehmend an Bedeutung“, ergänzt der Leiter der Slow-Food- Archekommission, Hanns-E. Kniepkamp. Falafel und Hummus aus Kichererbsen, Tofu und Tempeh aus Sojabohnen sind mittlerweile ein beliebter Fleischersatz.
Als Tierfutter eignen sich Hülsenfrüchte ebenfalls hervorragend – und werden dabei auch unter Nachhaltigkeitsaspekten immer wichtiger. Denn Nutztiere werden vor allem mit importiertem und häufig gentechnisch verändertem Soja beziehungsweise Sojaschrot aus Nord- und Südamerika gefüttert. Durch die Nutzung von heimischem Eiweißfutter lassen sich der UFOP zufolge mehr als eine Million Hektar Sojaanbau in Südamerika einsparen. „Die Eigenerzeugung an pflanzlichem Eiweiß in Deutschland und der Europäischen Union beträgt lediglich rund 30 bis 35 Prozent“, so UFOP-Mann Vogel. Für die Stärkung der heimischen Eiweißerzeugung und aus ökologischen Gründen komme den heimischen Leguminosen eine steigende Bedeutung zu. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und bereits 2012 eine „Eiweißpflanzenstrategie“ aufgelegt. In den Jahren 2014 bis 2018 fördert sie mit insgesamt 17 Millionen Euro Forschung und Züchtung von Hülsenfrüchten und will damit Landwirten Anreize bieten, neben Getreide und Ölsaaten auch Leguminosen anzubauen – die in Deutschland übrigens gentechnikfrei sein müssen. Sowohl Angebot als auch Nachfrage nach heimisch erzeugten Leguminosen sollen so gestärkt werden, im konventionellen wie im ökologischen Anbau. Für Landwirte hat der Anbau von Hülsenfrüchten auch ackerbauliche Vorteile: Werden die Körner der Leguminosen geerntet, bleiben die Reste der Pflanze und alle Wurzeln auf dem Feld zurück. Die nachfolgenden Kulturen können die darin enthaltenen Stickstoffvorräte dann als Nährstoff für sich nutzen.
Tatsächlich werden in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamts in jüngster Zeit wieder vermehrt Futtererbsen, Ackerbohnen, Süßlupinen und andere Leguminosen angebaut. 2015 stieg die Anbaufläche (Sojabohnen nicht mitgezählt) im Vergleich zu 2014 um 74 Prozent auf rund 160.600 Hektar an. Die Strategie der Vereinten Nationen könnte also aufgehen.
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