piwik no script img

Geschmack-loses Vorgehen

Kommentar

von Bert Schulz

Streit um die „Fairteiler“-Kühlschränke

Wer jemals in einer größeren WG wohnte oder Messie war, kennt das Problem: Kühlschränke können sich, wenn man mal nur ein paar Tage nicht aufpasst, in lebende Biotope verwandeln. So war es nur eine Frage der Zeit, bis die Behörden in die inzwischen rund 25 Berliner „Fairteiler“ der Initiative Foodsharing genauer reinschauten und etwas zu kritisieren fanden. In diese Kühlschränke können Menschen nicht mehr benötigte, aber noch genießbare Lebensmittel packen; andere dürfen sich dort kostenlos bedienen.

Das ist indes eine so gute Idee, dass die zu Recht peniblen Lebensmittelaufsichten auch im Umgang mit den Essensteilern etwas netter sein dürfen. Denn die Lebensmittelaufsichtsämter wollen künftig bei jedem Kühlschrank im öffentlichen Raum prüfen, ob deren Aufsteller künftig als Lebensmittelunternehmer zu betrachten sind – für die deutlich striktere Auflagen gelten. Zwar hatte der Bezirk Pankow zuvor bereits einige Kühlschränke auf Eis gelegt. Von der jüngsten Ankündigung der Ämter allerdings hat die Initiative bisher nur aus den Medien erfahren. Ein unverständliches Vorgehen also, im doppelten Sinne.

Denn eine Stadt ist ohne solche Initiativen, die Probleme und deren mögliche Lösung oft viel früher erkennen, deutlich ärmer dran. Für Berlin lässt sich sogar sagen: Hier ist die chronisch überlastete Verwaltung auf Engagement dieser Art geradezu angewiesen. Der Fall der Lebensmittelverteiler ähnelt dabei dem der Helfer am Lageso: Hier wie dort übernehmen Ehrenamtliche – notgedrungen und aus idealistischen Gründen – staatliche Aufgaben.

Als Dank dafür muss, wenn es zu Konflikten kommt, zumindest eine Kommunikation auf Augenhöhe stattfinden. Dies zu erkennen und den Dialog einzuleiten, ist Aufgabe der (Bezirks-)Politiker. Sie sollten das auch schnellstens tun: Die aktuelle Unklarheit kann für die auf viele Unterstützer angewiesene Initiative schnell verderblich wirken. Und die Lebensmittel in den Kühlschränken werden auch nicht frischer.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen