Deutsch-türkische Beziehungen: Kurdenprotest vor dem Kanzleramt
Merkels Treffen mit ihrem Kollegen Davutoğlu wird von Kämpfen in der Südosttürkei überschattet. Ein Bündnis hat zu Protesten aufgerufen.
Einen bitteren Beigeschmack erhält es vor allem durch das brutale Vorgehen der türkischen Armee im Südosten des Landes, wo sie seit Wochen eine Offensive gegen die PKK führt und sich schwere Gefechte mit deren Jugendorganisation YDG-H liefert.
In Städten wie Cizre und Diyarbakır,wo sich die YDG-H in bestimmten Stadtvierteln verschanzt hat, bestehen seit Mitte Dezember rund um die Uhr Ausgangssperren. In der Stadt Silopi wurde die Ausgangssperre am Dienstag gelockert, sie gilt jetzt nur noch nachts. Während der Ausgangssperren haben die Bewohner häufig weder Strom noch Wasser oder Zugang zu Gesundheitsversorgung. Amnesty International spricht von einer „Kollektivstrafe“.
Nach Angaben der Armee wurden seit Mitte Dezember mehr als 640 YDG-H-Kämpfer in Sur, Cizre und Silopi getötet. Die prokurdische Oppositionspartei HDP meldet mehr als 100 getötete Zivilisten in den drei Orten. Auch Soldaten und Polizisten sterben fast jeden Tag.
Ein Aktionsbündnis aus linken kurdischen und türkischen Verbänden hat deshalb zum Protest gegen das Regierungstreffen in Berlin aufgerufen. Unter dem Motto „Not welcome, Mr. Davutoğlu“ist ein Protestzug bis vor das Kanzleramt geplant.
Bislang schweigt sich die Bundesregierung zur blutigen Eskalation aus, genauso wie die meisten anderen europäischen Staaten. Auch, dass Präsident Erdoğanseine Macht immer weiter ausbaut und immer stärker gegen Kritiker und Gegner vorgeht, stößt kaum auf Widerspruch. Das war vor zwei Jahren, bei den Gezi-Protesten im Sommer 2013, noch ganz anders. Doch inzwischen ist man in der Flüchtlingsfrage auf die Zusammenarbeit mit der Türkei angewiesen. Darüber will man am Freitag in Berlin reden.
Denn bislang gelangen immer noch sehr viele Flüchtlinge auf dem Seeweg aus der Türkei auf die griechischen Inseln. Die Europäische Union hat der Türkei Ende 2015 3 Milliarden Euro zugesagt, damit diese ihren Kampf gegen Schleuser verstärkt und die Grenzsicherung ausbaut. In der Türkei halten sich rund 2,2 Millionen syrische Flüchtlinge auf. Zuletzt gab es Berichte, wonach Flüchtende von dort zur Rückkehr nach Syrien und in den Irak gezwungen wurden. Auch das wird von Amnesty International scharf kritisiert.
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