Nachruf auf Motörhead-Sänger: Der Gentleman des Heavy Metal

Er war Roadie für Jimi Hendrix, erklärter Beatles-Fan, ikonischer Rockstar der Gegenwart, unkorrumpierbar: Lemmy Kilmister von Motörhead.

Lemmy Kilmister steht hinter einem Mikro und hält die Hand an seinen Hut

Lemmy bei einem Konzert in München am 20.11.2015. Foto: dpa

In der aktuellen Ausgabe der Musikzeitschrift Spex ist noch ein Interview mit ihm zu lesen, es wird eingeleitet mit den Worten: „Wenn nichts dazwischenkommt, wird 2015 als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem Lemmy Kilmister tatsächlich 70 geworden ist.“ Und so ist es ja auch gekommen, den runden Geburtstag hat er noch hinbekommen. Aber es wird kein weiterer folgen.

Bei Lemmy, der gesundheitlich immer wieder angeschlagen war in den vergangenen Jahren und deswegen auch diverse Konzerte absagen musste, wurde kurz nach Weihnachten Krebs diagnostiziert. Zwei Tage später ist er in Los Angeles, wo er seit vielen Jahren lebte, gestorben.

Wahrscheinlich musste ein besonders heimtückischer Krebs her, um Lemmy, den man inzwischen für eigentlich unkaputtbar hielt, niederzustrecken. Alle nur erdenklichen Drogen haben ihm nichts anhaben können; von Speed bis LSD hat der Mann nichts ausgelassen. Täglich, so wurde kolportiert, trank er eine Flasche seines geliebten Jack Daniels. Nur so konnte er ganz offensichtlich funktionieren. Aus gesundheitlichen Gründen ließ er das mit dem Whisky seit gut zwei Jahren bleiben. Bestimmt wird man nun munkeln, dass ihn in Wahrheit diese Abstinenz letztendlich dahingerafft habe.

Wahrscheinlich gab es, vielleicht mal abgesehen von Elvis, überhaupt nie einen ikonischeren Rockstar als Lemmy Kilmister, den alle immer nur Lemmy nannten, was schon einiges darüber aussagt, wie nahe sich seine Fans dem Rocksänger fühlten. Lemmy, geboren im englischen Stoke-on-Trent, das war der Typ mit dem ausufernden Backenbart, den Warzen im Gesicht und dem Anhänger mit dem Eisernen Kreuz um den Hals.

Wie ein Besessener Nazi-Devotionalien sammeln

Er war die ultimative Verkörperung eines Rock-’n’-Roll-Sängers, immer auf Tour, scheinbar völlig ungebunden und frei. Und tatsächlich blieb er bis zum Schluss passionierter Single, zeigte sich aber immer wieder gern mit irgendwelchen Blondinen im Arm. Er machte einfach, was er wollte, etwa wie ein Besessener Nazi-Devotionalien sammeln. Dabei machte er aber immer hinreichend deutlich, dass er wirklich null Sympathien für das „Dritte Reich“ hatte.

Für diejenigen, die in, sagen wir mal: Justin Bieber und ähnlichen am Reißbrett entworfenen Retortensängern den Antichrist sehen, war Lemmy definitiv Gott. Unkorrumpierbar, lieber auf Tour als auf Twitter, lieber in der Bar als bei Starbucks. Und tatsächlich, auch in der Dokumentation „Lemmy“ äußern sich viele so, war der Rockstar wohl tatsächlich eine ehrliche Haut und ein Kerl, auf den man sich verlassen konnte.

Für jüngere Generationen war Lemmy derjenige, der schon immer da zu sein schien, und ein wenig stimmt das ja auch. Er war bereits Roadie für niemand Geringeren als Jimi Hendrix, später spielte er Gitarre in verschiedenen englischen Psychedelic-Bands, die heute Kult sind, für die sich aber damals niemand wirklich interessieren wollte. Erst als er 1972 bei Hawkwind einstieg und von der Gitarre zum Bass wechselte, wurde es wirklich ernst mit seiner Karriere, auch wenn Hawkwind, immerhin offizielle Erfinder eines Genres namens Space-Rock, heute vor allem als die Band bekannt sind, in der einst Lemmy gespielt hat.

Motörhead, das steht für die Reduktion auf Schlagzeug, Gitarre, Bass, Gesang und sonst gar nichts.

Mitte der Siebziger flog Lemmy bei Hawkwind aus der Band wegen irgendwelcher Drogengeschichten, was sich ziemlich albern anhört, wenn man bedenkt, dass Hawkwind eigentlich als waschechte Drogenband galten. Allerdings eher programmiert auf LSD, mit Motörhead jedoch wechselte Lemmy definitiv auf Speed.

In der Tradition der Powerrock-Trios der späten Sechziger wie etwa Cream setzten Motörhead von Beginn an auf die Reduktion auf Schlagzeug, Gitarre, Bass, Gesang und sonst gar nichts. Damit sollte möglichst viel Krach gemacht werden. Den Umlaut im Namen Motörhead, den es im Englischen gar nicht gibt, dachte sich Lemmy aus, weil ihm das angemessen teutonisch und damit aggressiv vorkam. Und aggressiv, ja, das waren Motörhead bis zum Schluss.

Lemmy war erklärter Beatles-Fan, und auch Abba schätzte er sehr, doch diese Vorliebe hörte man seiner eigenen Musik eher nicht so an. Motörhead spielten einen aufgeputschten, donnernden Proto-Heavy-Metal, der sich auch dadurch auszeichnete, dass er sich in den vergangenen 40 Jahren so gut wie gar nicht verändert hat. Egal ob Punk, Disco oder Techno passierten, Motörhead spielten immer weiter ihren Stiefel.

In der Geschichte der Rockmusik hat es schon wirklich schwere Verbrechen gegeben. Beispielsweise, dass Queen ohne Freddy Mercury weiter machten. Dass Motörhead ohne Lemmy fortexistieren, das kann man sich jedoch beim besten Willen nicht vorstellen.

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