: Eine Akademie als Geburstags- geschenk
Festkonzert Zum 90. Geburtstag seines Gründungsdirektors W. Michael Blumenthal veranstaltete das Jüdische Museum ein großes Festkonzert und benennt ihm zu Ehren die museumseigene Akademie um
von Katharina Granzin
Man würde sich wünschen, mit 90 Jahren noch so bei Stimme zu sein wie dieser Mann. Zum Schluss des Abends tritt Michael Blumenthal selbst auf die Bühne, um zu erklären, er habe die ganze Zeit Angst gehabt vor dem Moment, in dem er selbst etwas sagen müsse. Das ist schwer zu glauben. Denn er hält, mit dieser volltönenden Stimme, die ihn als Sprecher für jeden besseren Naturfilm prädestinieren würde, natürlich die allerschönste Stegreifrede, in der er auch nicht versäumt, sich bei den Überraschungsgästen des Abends gebührend zu bedanken. Unter diesen ist auch Wolfgang Schäuble, der den, sozusagen, Amtskollegen – Blumenthal war einst Finanzminister in der Carter-Regierung – in sehr persönlicher Weise gewürdigt hat.
Nach 17 Jahren als Leiter des Jüdischen Museums Berlin hatte W. Michael Blumenthal vor knapp eineinhalb Jahren beschlossen, sich nunmehr doch aufs Altenteil zurückzuziehen. Mit 88 Jahren immerhin. Zu seinem 90. Geburtstag hat das Museum seinem Gründungsdirektor nun eine fulminante Feier ausgerichtet.
Blitzlichtgewitter und kulturpolitische Prominenz
Es ist die Art Veranstaltung, bei der manche Damen, also echte Damen, an der Garderobe das schneefeste Schuhwerk gegen Absatzware austauschen, um dem feierlichen Anlass zu entsprechen. Bei der die GesellschaftsfotografInnen sich drängeln, um die geballte Anwesenheit kulturpolitischer Prominenz bildlich zu dokumentieren.
Es dauert ein Weilchen, bis alle Platz genommen haben und das Blitzlichtgewitter ein Ende hat. Dann ergreift Christoph Stölzl das Wort, der selbst ja auch Museumsdirektor war (Deutsches Historisches Museum) und Kultursenator (Berlin) und als Moderator durch Blumenthals Geburtstagssause führt. Derzeit lehrt Stölzl unter anderem an der Hanns-Eisler-Hochschule, von der auch das souverän agierende studentische Ensemble „Stegreif.Chamber“ kommt, das den Großteil des abendlichen Unterhaltungsprogramms bestreitet. Auch die fabelhafte israelische Sopranistin Alma Sadé, derzeit an der Komischen Oper engagiert, ist gekommen und singt zwei jiddische Lieder.
Michael Blumenthal und Musik, das sei eine Verbindung, die man vielleicht nicht auf den ersten Blick sehe, so Stölzl, doch sei der Mann schließlich immer für Überraschungen gut, und so habe man auch dem ihm gewidmeten Abend eine überraschende Note verleihen wollen. Allzu sehr überrascht kann der Jubilar allerdings gar nicht gewesen sein, denn er ist, wie die auf großer Leinwand eingespielten Interviewsequenzen zeigen, vorab über musikalische Prägungen interviewt worden.
Es ist in der Tat eine charmante Idee, dieses bewegte Leben anhand musikalischer Impressionen zu erzählen. Stölzls Moderationen wechseln sich ab mit Blumenthals Interviewsequenzen und Sinatra-Wagner-Gershwin-Musiknummern, und so entsteht quasi im Vorbeifliegen ein Eindruck eines aus dem Vollen gelebten Lebens und einer erstaunlichen Karriere, die auch darum etwas schwindeln macht, weil ja alles hätte anders kommen können.
Familie Blumenthal konnte rechtzeitig emigrieren
In Berlin 1926 als Sohn assimilierter jüdischer Eltern geboren, hatte Werner Michael Blumenthal das Glück, dass seine Familie rechtzeitig emigrieren konnte. 1938 war der Vater bereits für einige Monate ins KZ Buchenwald verschleppt worden. Im Jahr darauf gelang der Familie jedoch die Ausreise nach Schanghai, wo sie sich sieben Jahre lang irgendwie durchschlug, bevor sie in die USA reisen konnte. Dort studierte der junge Blumenthal Wirtschaftswissenschaften und lernte mehrere Sprachen.
Im Laufe seines Lebens bekleidete er viele verantwortungsvolle Positionen im wirtschaftlichen und politischen Leben, war allerdings ein Novize in der Kulturpolitik, als er im Jahr 1997 als Gründungsdirektor des im Entstehen begriffenen Jüdischen Museums Berlin berufen wurde. Seine außergewöhnlichen Fähigkeiten als Kommunikator aber müssen das mehr als wettgemacht haben.
Blumenthal ist es hauptsächlich zu verdanken, dass das Jüdische Museum, das ursprünglich als Anhängsel des neben dem Libeskind-Bau gelegenen Berlin Museums fungierte, einen eigenständigen Status erhielt und mit der Zeit den großen kulturellen Stellenwert bekam, den es heute so scheinbar selbstverständlich innehat.
Zum aktuellen Anlass hat man sogar jenen Mann wieder um den Globus geflogen, den Blumenthal damals engagierte, um dem Museum sein einzigartiges inhaltliches Gepräge zu geben: Auch der Neuseeländer Ken Gorbey ist einer der Überraschungsgäste.
Als letzter Gratulant erklettert Peter Schäfer, der derzeitige Direktor des Museums, das Podium, um dem Jubilar offiziell das Geburtstagsgeschenk seiner Institution zu übergeben. Dazu gehört unter anderem die wohl prachtvollste Aloe-Vera-Pflanze aus dem museumseigenen „Garten der Diaspora“, vor allem aber eine noch viel wertvollere Gabe virtueller Art: Ab sofort wird die gegenüber dem Museumsbau gelegene Akademie des Jüdischen Museums nicht mehr so heißen wie bisher. Sie ist offiziell umbenannt in „W. Michael Blumenthal Akademie“. Die Buchstaben hängen schon.
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