PiS-Regierung in Polen: Kündigung der speziellen Art
Mitarbeiter einer Behörde überfallen das Nato-Kompetenzzentrum für Spionageabwehr in Warschau, um den Chef auszuwechseln.
WARSCHAU taz | Überfall in Warschau: Mitarbeiter des polnischen Verteidigungsministers drangen um halb zwei Uhr in der Nacht zu Freitag mit ein paar Militärpolizisten ins Nato-Kompetenzzentrum für Spionageabwehr ein, um dort einen neuen Direktor zu installieren.
Das Zentrum ist einen Nato-Institution, die von Polen und der Slowakei gemeinsam geleitet wird, aber dem Nato-Headquarter untersteht. Es soll sein Augenmerk vor allem Richtung Osten - Russland, Weißrussland, aber auch Ukraine - richten und Terrorgefahren frühzeitig erkennen. Es ist eines von 23 Kompetenzzentren der Nato, wurde im Herbst diesen Jahres gegründet und soll seinen endgültigen Sitz im südpolnischen Krakau haben.
„Gegen Oberst Krzysztof Dusza wurde ein Kontrollverfahren eingeleitet, das seinen Zugang zu geheimen Informationen überprüfen soll“, erklärte Bartlomiej Misiewicz, der Büroleiter des polnischen Verteidigungsministeriums. „Da der Oberst während dieser Kontrollzeit keinen Zugang zu geheimen Informationen hat, bedeutet dies, dass er mit sofortiger Wirkung von seinem Posten als Chef des Nato-Kompetenzzentrums zur Spionageabwehr abberufen werden musste.“
Angeblich sei diese Entscheidung bereits vor einer Woche im Verteidigungsministerium gefallen. Warum die Aktion dann freitagnachts um halb zwei durchgeführt werden musste, wollte Misiewicz nicht erklären.
Keine Benachrichtigung erhalten
Im Privatsender TV N24 erklärte Oberst Dusza aber, dass er weder eine gemeinsam von den Verteidigungsministern Polens und der Slowakei unterzeichnete Kündigung noch eine Entscheidung des Leitungsgremiums der insgesamt zehn am Kompetenzzentrum beteiligten Nato-Staaten erhalten habe.
Vor zwei Tagen sei ihm zwar ein Schreiben von Piotr Baczek zugegangen, dem Chef des Militärischen Abwehrdienstes, mit dem dieser die Delegierung von Dusza auf den Chef-Posten des Zentrums zurückgezogen habe, doch sei der für eine Abberufung notwendige formale Weg nicht eingehalten worden. Er betrachte sich daher weiterhin als rechtmäßig eingesetzten Chef der Behörde. Auch seine slowakischen Kollegen hätten von seiner Abberufung nichts gewusst.
Anders stellt dies Bartlomiej Misiewicz, der neue Bevollmächtigte des polnischen Verteidigungsministers für das Nato-Kompetenzzentrum dar: „Die slowakische Seite ist schon vor einer Woche über die Absicht informiert worden, das polnische Personal auszutauschen.“
Seit den Parlamentswahlen am 25. Oktober dieses Jahres wechselte die rechtsnationale Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die die neue Regierung Polens stellt und im Parlament die absolute Mehrheit hat, fast alle Geheimdienstchefs sowie den Polizeichef aus.
Wiedervorlage des Falles Smolensk
Experten befürchten, dass sich die ohnehin schlechten Beziehungen zwischen Polen und Russland unter der neuen polnischen Regierung drastisch verschlechtern könnten. So ordnete Macierewicz bereits an, den „Fall Smolensk“ erneut aufzurollen.
2010 waren bei einem Flugzeugabsturz Polens damaliger Präsident Lech Kaczynski und 95 weitere Menschen ums Leben gekommen. Macierewicz ist fest davon überzeugt, dass es sich dabei um eine Verschwörung und einen Anschlag der Russen gehandelt habe.
Vor kurzem wies Polen bereits einen russischen Journalisten wegen angeblicher Spionage aus, ohne aber Beweise dafür vorzulegen. Die Retourkutsche aus Moskau kam prompt: innerhalb von einem Monat muss nun ein polnischer Korrespondent Russland verlassen.
Leser*innenkommentare
nzuli sana
Ja, der Nationalismus ist furchtbar und kann schlimmste Bewegungsprozesse auslösen, in der in Panik vor Übervorteilung der konkurrierenden Nation Milizen zu den Waffen greifen.
Genau das findet in der Ukraine statt.
Zum Vergleich http://www.welt.de/politik/ausland/article150122458/Militaerpolizei-stuermt-Nato-Zentrum-in-Warschau.html
Kann es sein, dass der BReg der Handel mit Russland wichtiger ist als die (gefühlte) Sicherheit Polens und der Ukraine?
Was sollen die ukrainischen Militärs machen, wenn die (pro)russische Seite sich nicht an Minsk hält und schießt?
Das ist genau das was die vom "Rechten Sektor" ständig anprangern und die Mütter der Gefallenen beklagen.
Und RT und Ruply senden ja fleißig die Identitäten und andere Rechtsradikale. https://de.wikipedia.org/wiki/Ruptly
Denn der Kreml und seine Freunde sind ja gegen "die Globalisten".
nzuli sana
die "Identitären" (Tippfehler)
RT über "Grenzhelfer" in Reaktion auf die FlüchthelferInnen auf der Balkanroute. Interviewt dümmstes Gesabbel von Identitären und Melanie Ditmer.
1714 (Profil gelöscht)
Gast
Es ist von sehr entscheidender Bedeutung, wie die EU (und NATO) mit diesem gefährlichen PiS Weg umgehen. Reagieren sie ähnlich wie bei den Ungarn oder Slowenen, nämlich gar nicht, dann werden allerorten immer mehr nationalistische Scharfmacher sich bestätigt fühlen und die EU endgültig zum Scheitern bringen - falls sie nicht schon in den letzten Wochen de facto zerbrochen ist. Aber es steht zu befürchten, dass sowohl die EU als auch die nationalen Regierungen den Kopf in den Sand stecken werden. Das ist die Folge davon, dass man zweit- und drittrangige Politversager auf wichtige EU Posten komplimentiert hat, statt starker Charaktere, die den Europäischen Gedanken hätten voranbringen könnten.