piwik no script img

Phänomen VW in Küche und Wohnzimmer

Falschdeklaration Nicht nur bei Autos, auch bei Elektrogeräten stimmen Verbrauchsangaben oft nicht

Altertümlicher Energiefresser. Besser: LED kaufen Foto: Jon Nazca/ reuters

FREIBURG taz | Eine aktuelle Untersuchung von Lampen wirft Zweifel an der Verlässlichkeit von Effizienz-Kennwerten von Elektrogeräten auf: Nach umfangreichen Marktanalysen durch das schwedische Verbrauchermagazin Råd & Rön liegt die Lichtausbeute mitunter bis zu 25 Prozent unter den angegebenen Kennwerten.

Auf diesen Missstand hat nun das European Environmental Bureau (EEB) hingewiesen, nach eigenen Angaben Europas größter Dachverband von Umweltorganisationen. „Bei VW bekommen Sie nicht, was Sie sehen. Das Gleiche gilt für Haushaltsgeräte“, sagt Jack Hunter, Energieeffizienz-Experte beim EEB. Die Hersteller übertrieben bewusst bei der Angabe der Leistung, indem sie eine Gesetzeslücke ausnutzten, die ihnen hohe Toleranzen erlaubt. Die Europäische Kommission wisse davon, sagt Hunter.

Die Kennzeichnung der Produkte ist in der europäischen Ökodesign-Richtlinie definiert. „Diese ist grundsätzlich ein großer politischer Erfolg“, sagt Robert Pörschmann, Energieexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz: „Sie hat große Wirkung auf die Märkte.“ Denn die Kunden achten heute beim Kauf von Kühlschrank und Spülmaschine in der Regel auf die Effizienzwerte. Auch bei Lampen bekommen sie zunehmend ein Gefühl für die Einheit Lumen, mit der die Helligkeit angegeben wird.

Nur akzeptiert die EU-Kommission auch hohe Abweichungen zwischen den Angaben und der Realität. Aus messtechnischer Sicht sind gewisse Differenzen nie zu vermeiden, doch nach Angaben aus der Branche müssen diese bei den Lampen nicht über 2 bis 3 Prozent hinaus gehen. Die EU lässt aber je nach Produktgruppe bis zu 10 Prozent zu. Daher fordert BUND-Experte Pörschmann: „Die EU-Kommission muss die Toleranzgrenzen enger fassen.“

Am Beispiel der Lampen kocht das Thema nun hoch. Doch in der Praxis viel relevanter ist der Mehrverbrauch bei anderen Haushaltsgeräten, die zum Teil deutlich mehr Strom verbrauchen als die Beleuchtung. Nur liegen für diese bisher noch keine umfassenden Untersuchungen vor. Das EEB jedoch geht davon aus, dass die Abweichungen ebenso groß sind wie bei den Lampen, und schätzt den Schaden für die europäischen Verbraucher durch erhöhten Stromverbrauch auf 2 Milliarden Euro pro Jahr. Beim Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie sah sich gestern niemand in der Lage, sich dazu zu äußern.

Die EU lässt je nach Produktgruppe bis zu 10 Prozent Abweichung zu

Zumindest beim Lampenkauf, sagt Pörschmann, gelte unverändert: nur LED nehmen. Denn die sind mit Abstand am sparsamsten. Selbst wenn sie am Ende einige Prozent mehr verbrauchen als angegeben, bleiben sie dennoch deutlich effizienter als jede Glüh- oder Halogenbirne. Bei anderen Produkten könne der Verbraucher nur hoffen, dass die EU die Schlupflöcher zügig schließt. Beim Freiburger Öko-Institut heißt es, die EU-Kommission arbeite bereits an neuen Vorgaben. Bernward Janzing

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen