: „Besetzung ein gutes Mittel“
DISKUSSION AktivistInnen debattieren über linke Perspektiven der Stadtentwicklung
35, arbeitet bei der Berliner Piratenfraktion und ist Aktivist der Berliner Initiative „Stadt von unten“. Er ist Autor des Buches „Vom Häuserkampf zur neoliberalen Stadt“ (Münster, 2014).
taz: Herr Kuhn, inwiefern können illegale Hausbesetzungen Teil von Stadtentwicklung sein?
Armin Kuhn:Sie waren de facto ein Teil von Stadtentwicklung, weil sich viele Leute aufgemacht haben, den massiven Leerstand anzueignen, den es in vielen Städten gab. Das liegt allerdings Jahrzehnte zurück.
Was kann man heute daraus lernen?
Zunächst ist es wichtig, das einzuordnen: Es war eine Bewegung gegen eine bestimmte Form der Stadtentwicklung.
Und zwar?
Das damalige Modell setzte darauf, die Stadt nach Nutzung aufzuteilen. Wohnen sollte woanders stattfinden als die Arbeit und Wohnungen waren vor allem für Kleinfamilien geplant. Die Bewegung hat sich dagegen gewehrt und Freiräume geschaffen und stand gleichzeitig für eine behutsame Stadtentwicklung, statt Abriss und Neubau. Auf die heutige Zeit lässt sich dieser Kampf nicht ohne weiteres übertragen.
In Bremen wird derzeit über Beschlagnahmungen von Leerstand diskutiert, um Flüchtlinge unterzubringen. Ist diese Idee also aus der Zeit gefallen?
Die Diskussion gibt es in vielen Städten und in Lübeck, Münster und Berlin wurde das ja auch versucht. Es sollten soziale Zentren für Flüchtlinge entstehen. Wenn man darin eine Aktionsform sieht, um auf den Missstand aufmerksam zu machen, dass Flüchtlinge in Wohnraum untergebracht werden sollten, dann ist Besetzung ein gutes Mittel. In den letzten Jahrzehnten wurde allerdings auch klar, dass aus einer Besetzung nicht automatisch eine politische Organisierung und Initiative entsteht.
Was schlagen Sie vor?
Die Flüchtlingskrise ist ja eine Verwaltungskrise – Obdachlosigkeit existiert als Problem schon lange. Der zentrale Punkt ist daher, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Und in dem Bereich sind Hausbesetzungen übrigens ein erfolgreiches Mittel als soziales Wohnraumprogramm. Man kann feststellen, dass die Mieten in ehemals besetzten Häusern deutlich niedriger sind als in ihrem sozialen Umfeld. Leerstände von über einem halben Jahr sollten also besetzt werden dürfen.
Interview: jpb
20 Uhr, Infoladen Bremen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen