Bio-Weihnachtsbäume zum Fest: Oh, Tannenzapfen

Für das Geschäft mit der deutschen Nordmanntanne riskieren Arbeiter in Georgien ihr Leben. Eine Firma will das ändern – mit fairen Samen.

Ein Mann verkauft Weihnachtsbäume

Wie schön sind deine Blätter. Du grünst nicht nur ... Foto: dpa

BERLIN taz | Sein Auftritt ist glänzend, wenn auch kurz: Satt grün muss er sein, der Weihnachtsbaum, die Nadeln weich, der Wuchs gerade. Etwa jeder zweite Haushalt stellt in Deutschland alle Jahre wieder einen Baum auf. Dabei geht es auch um ein knallhartes 700-Millionen-Euro-Geschäft.

Aber: Käufer haben eine Wahl. Diese fange bei der Rotfichte und bis zu 9 Euro für den laufenden Meter an, erklärt Hans-Georg Dreßler, der die Branche als Sprecher des Bundesverbandes der Weihnachtsbaumerzeuger wie sonst kaum einer kennt. Allerdings: Die Rotfichten-Nadeln piksen, der Baum hält nicht besonders lange. Das ist bei der Nordmanntanne anders. Sie ist pflegeleicht, auch teurer, aber hierzulande am beliebtesten. Ihr Marktanteil: gut 70 Prozent.

Aus dem Wald kommen die Lametta-Träger freilich selten, sie wachsen auf Plantagen, der Natur wird dabei nachgeholfen. Ein kleines Unternehmen will das jetzt ändern: Fair Trees. In diesem Jahr sind die fairen Bäume erstmals über das Internet zu beziehen.

Von vorne: Anfang des 19. Jahrhunderts macht sich der finnische Biologe und Zoologe Alexander von Nordmann auf in den Kaukasus, ins heutige Georgien. Von der riskanten Expedition bringt er Tausende Pflanzen und Tiere zurück, darunter eine hochgewachsene Tanne: Abies nordmanniana.

Es geht um die Samen

Noch heute sollen in Georgien die schönsten Tannen wachsen. Das meiste Saatgut für die deutschen Nordmänner kommt von dort. Es sitzt in kleinen Kammern in den Zapfen. Bis ein Baum diese trägt, dauert es Jahrzehnte. Derart alte Exemplare gibt es in Deutschland kaum.

Also drängen sich jedes Jahr im Herbst georgische Männer für die kurze Zeit der Ernte durch nadeliges Gestrüpp – eine nicht ungefährliche Arbeit. Um die Zapfen zu ernten, klettern sie einen Baum rund 50, manchmal bis zu 60 Meter bis zum Wipfel hinauf. Die Ernte lassen sie einfach fallen. Unten klauben Kollegen alles zusammen. Die Pflücker hüpfen von Wipfel zu Wipfel – oft ohne Helm und ohne Seil. Jedes Jahr verletzen sich einige von ihnen, manche sterben sogar beim Sturz aus den Tannenwipfeln.

Für ein Kilo Samen muss man 10 Kilo Zapfen ernten. Pro Kilo bekommen die Pflücker dieses Jahr 1,20 Lari, etwa 50 Cent. Allenfalls 300 Euro kann ein Arbeiter so pro Saison verdienen. Ein hartes Geschäft, dass fairer sein könne, findet Marianne Bols. Sie ist Baumzüchterin in Dänemark. Zusammen mit ihrem Mann und ihrem Schwiegervater hat sie vor wenigen Jahren das Unternehmen Fair Trees aufgebaut. In diesem Jahr sind die „fairen Nordmanntannen“ erstmals online bei hellweg.de zu haben. In Dänemark lassen sie sich seit Neuestem in Ikea-Filialen kaufen.

Die zehn fest angestellten georgischen Pflücker verdienen mit 2,5 Lari für ein Kilo Zapfen immerhin doppelt so viel wie üblich. Außerdem bekommen sie eine Kletterausrüstung und eine Arbeitsversicherung. Ernsthafte Unfälle gab es unter ihnen bislang nicht mehr. Darüber hinaus spendet die Firma 67 Cent pro verkauftem Baum für soziale Projekte in Georgien, etwa für ärztliche Versorgung oder Schulbücher.

Pestizide und Mineraldünger

Öko sind die Fair Trees damit noch nicht. Umweltschützern wie Rudolf Fenner von Robin Wood geht die Initiative deshalb nicht weit genug. Er sagt: „Der fair gehandelte Samen ist nur der Anfang.“ Die Nordmanntanne werde je nach Größe zumeist etwa acht bis zwölf Jahre mit umweltbelastenden Düngern und Spritzmitteln großgezogen. Im Ökolandbau sei das tabu. Fenner rät, beim Christbaumkauf auf anerkannte Biosiegel von Naturland, Bioland oder das der Europäischen Union zu achten.

Auch Bäume aus deutschen Wäldern mit dem internationalen Gütesiegel des sogenannten Forest Stewardship Council, FSC, empfiehlt Fenner. Das ist zwar kein pures Ökozeichen, aber Mindeststandards wie den Verzicht auf Pestizide und Mineraldünger schreibt es auch vor.

Bols will dieses Jahr 150.000 Weihnachtsbäume verkaufen. Das ist nur ein kleiner Teil des Marktes. Aber sie glaubt daran: „Theoretisch kann das ganze Geschäft fair werden.“ Einer der deutschen Fair-Trees-Anbieter stellt seine Nordmanntannen-Plantagen übrigens derzeit auf Bio um. Ab dem nächsten Jahr kann er sie als Bio- und Fair-Tree-gelabelte Bäume anbieten.

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